Liebe LeserInnen, nun stecken wir im nächsten harten Lockdown. Damit der uns nicht komplett den Blick auf die guten und aufbauenden Dinge in unserem Leben verhagelt, finden Sie hier die neuesten Texte, die zu verschiedensten Schreibimpulsen entstanden sind.
Viel Freude beim Lesen, bleiben Sie gesund und lassen Sie sich nicht unterkriegen!
Ihre Cornelia
Schreibimpuls Zitate / Romanauszüge
dazu entstanden:
Feuerabend
Mit einigem Gold kommt
die Sonne über den Fluss
und zeichnet die Schatten
der entlaubten Bäume an
die Zimmerdecke wo sie
langsam wandern und sich
auflösen während am
bewölkten Himmel sich das
Licht mit großem blau-roten
Bühnenbild verabschiedet
© Sabeth Bußmann
Gegenwart
Was ist das eigentlich? Was meint das Wort, das so zusammengesetzt wurde? Ich meine, es meint einen Protest, den Protest gegen das Warten. Denn das Wesen der Gegenwart ist ja, dass es im Augenblick nichts zu warten gibt. Es ist nichts da, denn „Warten auf“ ist Zukunft. Auf was sonst warten wir?
Also noch mal: Die Gegenwart heißt Gegenwart, weil sie gegen das Warten ist. Da erklärt sich die Vergangenheit einfacher. Der Vergangenheit sieht man nämlich an, wie sie so weit geht, bis sie sich total vergangen hat.
Mit der Kunft – ich meine natürlich die Zukunft - ist es schon schwieriger. Die Her-Kunft zum Beispiel liegt in der Vergangenheit, während die An-Kunft oder die Nieder-Kunft durchaus in der Zukunft liegen können. Also was meint Zu-Kunft ? Es meint „hin und zu“ der neuen Kunft, und ich weiß, es wird kompliziert und langweilig, wenn ich weiter daran rumschrauben und -schreiben würde. Das wäre nämlich - von jetzt aus betrachtet - wirklich Zukunft, aber ich tue es ja nicht. Und damit bleibt diese Zukunft Gegenwart, auch wenn Ihr vergeblich darauf wartet.
Ich habe in der Vergangenheit schon oft auf die Zukunft gewartet. Das tue ich jetzt auch. Ich warte auf bessere Zeiten, wohl wissend, dass auch diese zur Vergangenheit werden.
So richtig genießen kann man eigentlich nur die Gegenwart. Tun wir es, auch wenn es gegenwärtig schwer fällt.
©Dieter Metzmacher / 12.20
Wie schön es ist, zu vergessen
... wo die Pflicht ruft ..
Einmal nur Freude empfinden
Im Hier und Jetzt
Ohne Hast
Ruhe finden
Ich muss nichts tun
kein fremder Gedanke hechelt
Nur im Hier und Jetzt
Innere Andacht halten
wie den Atem
©Ann Kristin Bartke
Gegenwart
„Das Merkwürdige an der Zukunft ist wohl die Vorstellung, dass man unsere Zeit einmal die „gute alte Zeit“ nennen wird (Ernest Hemingway)
Als ich dieses Zitat las, wurde mir bewusst, wie oft mit dieser Erinnerung an die angeblich „gute alte Zeit“ gedanklich jongliert wird, als ob die Gegenwart von vornherein nur das Gegenteil bedeuten könnte.
Ich bin mir bewusst, dass meine Kindheit mit der so gefährlichen wie entbehrungsreichen Kriegs- und Nachkriegszeit verbunden ist. Trotzdem versuche ich immer, mich an die eher guten Seiten dieser ländlichen Kindheit zu erinnern, z.B. die unendliche Freiheit des Spiels draußen in Feld und Wald mit den Freunden, ungetrübt von der Kontrolle durch Erwachsene. Allein wenn ich daran denke, wie selbstverständlich wir nach dem Krieg in der ungenutzten „Fliegerbadeanstalt“ schwimmen gingen, wird mir in Gedanken an die eigenen Kinder noch nachträglich fast flau. Und doch ist erstaunlicherweise damals nie etwas passiert, weil die guten Schwimmer sich für die Anfänger verantwortlich fühlten und entsprechend aufpassten. Ich hatte mir im Sommer 1941, mit sechs Jahren, das Schwimmen und Tauchen selbst beigebracht und verachtete geradezu die Kinder, die unter Aufsicht an einer Angel hingen. Später, in der Großstadt, habe ich allerdings dafür gesorgt, dass meine Kinder schon vor Schulbeginn schwimmen lernten - im Kölner Agrippa-Bad, ohne Angel und ganz selbstverständlich mit dem Kopf unter Wasser. Aber trotzdem entwickelten sie größeren Spaß in der weitläufigen ehemaligen Kiesgrube in Vingst, ohne Chlor, wo nicht dauernd ein Bademeister seine Pfeife betätigte.
Gute alte Zeit? Krieg und Nachkriegszeit insgesamt dürfte sich wohl kaum jemand zurück wünschen. Und der BDM, der nationalsozialistische „Bund deutscher Mädel“ blieb mir fast gerade noch erspart. Als der Krieg endete, war ich 10 Jahre alt.
Aber der Begriff „Helikoptereltern“ - mit allen Fragezeichen - gehört zur Gegenwart.
Ich werde es nicht mehr erleben, was meine Urenkel mal über ihre eigene „gute alte Zeit“ erzählen werden.
© Edith Lerch
Fotografie
schwarzweiß
die Momentaufnahme
Auge in Auge
gestern genau jetzt
© Sabeth Bußmann
Zu Wolfgang Borchert: „Nachts schlafen die Ratten doch.“
Max, das Kaninchen
„Ja“, rief Jürgen, „ich warte bestimmt. Wir haben auch noch Bretter zu Hause. Kistenbretter.
Aber das hörte der Mann schon nicht mehr. Er lief mit seinen krummen Beinen auf die Sonne zu. Die war schon rot vom Abend und Jürgen konnte sehen, wie sie durch die Beine hindurchschien, so krumm waren sie. Und der Korb schwenkte aufgeregt hin und her. Kaninchenfutter war drin. Grünes Kaninchenfutter, das war etwas grau vom Schutt.“
Jürgen blickt hinter dem alten Mann her, er kennt ihn aus der Nachbarschaft. Schon oft hat er gesehen, wie der alte Mann am Feldrand Löwenzahn und Gras für seine Kaninchen geschnitten hat. Einmal durfte er auch mitkommen und sich im Garten die Kaninchen ansehen. Jetzt freut er sich, dass er gleich ein Kaninchen bekommen wird; jedenfalls hatte der alte Mann es ihm versprochen. Jürgen überlegt, wie der Stall für sein Kaninchen aussehen muss: „Am besten ist es, wenn der bei Opa im Garten, neben der Garage steht; er muss groß genug sein, damit das Kaninchen sich darin wohlfühlt.“
Schon lange wünscht Jürgen sich eine Katze oder einen Hund. Aber immer wurden seine Wünsche abgelehnt. Bei einem Kaninchen wird es bestimmt anders sein. Wenn er von dem alten Mann erzählt, der ihm das Kaninchen schenken will, werden seine Eltern bestimmt damit einverstanden sein, vor allem wenn er verspricht ganz alleine für das Kaninchen zu sorgen und seine Eltern keine Arbeit damit haben. Er ist ja schon neun Jahre alt und keine kleines Kind mehr.
„Ich muss mir einen Namen ausdenken, denn wenn es einen Namen hat, gehört es zur Familie“, überlegt er, „und wer zur Familie gehört, den gibt man nicht einfach wieder weg.“
Es dauert nicht lang und der alte Mann kommt mit dem Korb in der Hand zurück. Als er näher kommt sieht Jürgen, dass sich ein kleines weißes Kaninchen und etwas Futter in dem Korb befinden, auch ein paar Möhren sind dabei. Der Mann sagt. „Ich schenke dir das Kaninchen. Nun musst du dafür sorgen, dass es immer genug Futter bekommt damit es groß und stark wird. Den Korb hole ich morgen Abend ab, dann wird es vielleicht schon einen Stall haben. Ich kenne ja deinen Opa, er wird dir sicherlich helfen einen Stall zu bauen.“
„Das macht mein Opa bestimmt, er hat mir auch eine Schaukel gebaut“, entgegnet Jürgen und nickt eifrig mit dem Kopf, um seine Meinung zu verstärken, an die er selber nicht so ganz glaubt.
Jürgen findet kaum Zeit sich zu bedanken. Er läuft mit dem Korb ins Haus zu seiner Mutter: „Mama sieh mal, was ich geschenkt bekommen habe!“ und zeigt ihr den Korb mit dem Kaninchen. Die sieht Jürgen erstaunt an: „Woher hast du das Kaninchen?“
„Das hat mir der alte Mann geschenkt, der drüben in dem kleinen Haus am Wald wohnt.“
„Ja, der Herr Paul, der hat schon immer Kaninchen gehabt, aber warum hat er dir denn eins geschenkt?“
„Das weiß ich auch nicht, wir haben uns über Kaninchen unterhalten und da hat er gesagt, dass er vier junge Kaninchen hat und mir eins schenken möchte.“
„Aber du weißt doch, dass wir in der Wohnung keine Tiere haben können, die ist doch viel zu klein und so ein Kaninchen möchte doch auch herumlaufen können.“
„Ich frage Opa, ob wir bei ihm im Garten einen Stall bauen können. Ich werde jeden Tag“ – er überlegt einen Moment – „für Max Futter besorgen, wir haben ja noch drei Wochen Ferien“. Er freut sich, dass ihm so schnell ein Name eingefallen ist.
„Warten wir ab, Vater wird gleich von der Arbeit kommen, da hören wir mal, was er dazu sagt.“
Als der Vater nach Hause kommt, zeigt er sich nicht begeistert, ein Kaninchen im Haus zu haben. Als er hört, dass Jürgen daran denkt, für Max einen Stall im Garten zu bauen meint er nur: „Wenn Opa damit einverstanden ist, kannst du das Kaninchen behalten.“
Jürgen freut sich, dass er das Kaninchen behalten darf und zeichnet gleich in sein Schulheft einen Stall, so wie er ihn sich vorstellt.
Der Korb mit Max kommt erst einmal ins Badezimmer in die Badewanne, so kann er in der Nacht nicht weglaufen.
Am nächsten Morgen geht Jürgen gleich nach dem Frühstück ins Nebenhaus zu seinem Opa und bestürmt ihn sogleich: „Opa, wir müssen für Max einen Stall bauen!“
„Nun mal langsam was für einen Stall und wer ist Max – ein Junge aus deiner Klasse?“
„Max ist mein neues Kaninchen, Herr Paul hat es mir geschenkt und nun müssen wir einen Stall für Max bauen.“
„Ach so ist das. Dann bring deinen Max mal vorbei, ich hole schon einmal Holz und Werkzeug aus dem Keller. Du musst dann aber auch Futter und Stroh besorgen.“
„Kennst du dich denn mit Kaninchen aus?“, fragt Jürgen.
„Nach dem Krieg gab es ja kaum etwas zu Essen, da hatten wir auch Kaninchen und Oma freute sich, wenn es Ostern und Weihnachten Kaninchenbraten gab.“
Jürgen starrte mit offenem Mund und weit geöffneten Augen seinen Opa an: „Aber Max wird doch nicht geschlachtet, den kann man doch gar nicht essen, der gehört doch jetzt zur Familie!“
„Normalerweise hält man Kaninchen, damit man zu den Festtagen einen leckeren Braten hat – bei Max werden wir eine Ausnahme machen, versprochen!“
Damit gibt sich Jürgen zufrieden. Schon am Abend kann Max in den neuen Stall umziehen, den Jürgen mit seinem Opa gebaut hat. Jürgen hat auch schon frische Kräuter geschnitten und beim Bauer Schneider Heu besorgt.
In der Nacht träumt Jürgen von vielen Kaninchen, die in Opas Garten herumhoppeln und die er alle vor dem Schlachten gerettet hat.
© Lothar Lax
Impuls - zu verschiedenen Bildern und Romantiteln schreiben
dazu entstanden:
urgesetze des lebens
predigt mein baum.
leise spielt der wind.
ich lege meine hand
sacht auf seine rinde
steige ein
in das grün
seiner blätter.
ich weiß zuzuhören.
meine haut atmet
zartesten zauber.
unsichtbar für dich
lächelt mein tag.
und ich bin ein wenig gelassener
oder auch nicht ...
© Maile Ira Folwill
Das rotes Blatt
Was wollte ich jetzt gerade sagen,
etwas antworten oder fragen?
Das Gedankenblatt ist verschwunden,
durchtrennt oder gar abgebunden.
Nun stehe ich hier und denke,
strenge an die Hirngelenke.
Der Kopf ist leer, das kann nicht sein,
mir fällt absolut gar nichts ein.
Das rotes Blatt soll wieder her,
hmhh..., ganz schön schwer.
Doch plötzlich sehe ich Wörter und Zeilen,
ich wollte etwas mit den Menschen teilen.
Worte, Sätze und dazu einen Reim,
da blieb das rotes Blatt hängen am Gedankenleim.
Ein Gedicht, das wollte ich schreiben,
vom roten Blatt und es soll im Gedächtnis bleiben.
Und siehe da, es ist gelungen,
wenn auch meinem Kopf schwer abgerungen.
Mut macht das Gedicht:
Verliere das rote bloß Blatt nicht!
© M.M.
Zu dem Romantitel 'Nachtsendung' von Kathrin Röggla
Sie waren umgezogen, hatten Freunde und Familie informiert, das Telefon umgemeldet und schließlich einen Antrag bei der Post gestellt, man möge bitteschön alle ihre Briefe, Karten und Päckchen eine Zeit lang an die neue Adresse schicken.
Schon nach wenigen Tagen wurden sie nachts aus den Schlaf gerissen. Es war ein verschlafener Postbote, der um 3 Uhr mit einer Postkarte von Oma Trude vor der Tür stand und einen Zuschlag einforderte. Schließlich habe man auf dem Formular „Nachtsendung“ statt „Nachsendung“ angekreuzt, ein Service, der zwar teuer aber, wie man sehe, zuverlässig funktioniere.
So geschah es in der Folge fast jede Nacht. Mal war es eine Rechnung der Hausrats-Versicherung, mal auch nur Werbung vom heimatlichen Supermarkt, bis sie auf den Gedanken kamen, diesen Unsinn abzustellen. Das ginge nur mit Ende der Laufzeit, also nach 6 Monaten, erklärte die Dame am Schalter, oder bei einem neuen Umzug. Das sei aber selten. Mit diesem neuen Wissen schliefen sie in der Folge noch schlechter und warteten mit dicken Augen auf den Morgen.
Wie doch ein einziger Buchstabe an falscher Stelle Sinn und Leben verändern kann. Den frühen Morgen nannten sie übrigens ab jetzt „Nacht-Endung“, zwei Buchstaben von ihrem unseligen Antrag entfernt. Geholfen hat es nicht.
© Dieter Metzmacher / 12.20
dazu entstanden:
Hier und jetzt
Hier und jetzt bin ich zweigeteilt, um glücklich sein zu können
Hier und jetzt denke ich jeden Tag an mein neues Lebens
Hier und jetzt erinnere ich mich an die dunkle Vergangenheit
Hier und jetzt lässt die Morgenröte die Dunkelheit schwinden
Hier und jetzt beginnt jeder Tag neu und verheißungsvoll
Hier und jetzt nehme ich dieses Leben an
Hier und jetzt nutze ich Mut, Energie, und die Kraft des Waldes
Hier und jetzt liegt mir alles am Herzen
Hier und jetzt bin ich die Jahreszeit am Ende des Monats
Hier und jetzt geht die Herztür auf und zu
Hier und jetzt kommt die kostbare Ruhe und Tapferkeit herein
Hier und jetzt ist das Leben zu kurz, um lange traurig zu sein
Hier und jetzt gefällt mir mein Lieblingsleben
Hier und jetzt hoffe ich, mir geht es gut
Hier und jetzt ist das Jahr wieder mal vorbei, das neue steht bevor
Hier und jetzt getrennt von meinen Eltern
Hier und jetzt weiß ich, es wird ewig Jahreswechsel sein
Hier und jetzt mag ich meine neue zweite Heimat
© M.M.
innehalten
gegenwärtig sein
Leben im Zauber
des Jetzt
mit der Liebe
zum Alltäglichen
zur Poesie
der kleinen Dinge
leichten Schrittes
einkehren
bei den Bildern
des Glücks
© Sabeth Bußmann
Meine Träume
Wenn meine Welt nichts mehr aufrecht hält
Und ich am Boden liege
Dann sind all meine Träume hier und jetzt
Ich bin die erste die verzweifelt
Wenn ich in den Straßen steh
Nach mir suche, nach mir greife und
wieder mal mit leeren Händen geh
Dann sind alle meine Träume hier und jetzt
Ich bin der Punkt an dem ich ankam
Wenn ich viel zu weit gelaufen war
Dann sind alle meine Träume hier und jetzt
Ich bin allein in den Straßen
Wenn es viel zu dunkel ist
Dann sind alle meine Träume hier und jetzt
Ich weiß nicht mehr wie sich das Leben
anfühlt ohne deine Hand in meiner
Dann sind alle meine Träume hier und jetzt
Mit all meinen Lichtern
mache ich die Welt zu einem Ort
Dann sind alle meine Träume hier und jetzt
Der strahlt wie tausend lachende Herzen
Alles erklärt sich von selbst ohne ein Wort
Dann sind alle meine Träume hier und jetzt
© M.M.
Warten 1
Die Hebamme wartet auf den ersten Schrei,
vom Baby, welches noch ganz neu.
Das Baby wartet voller Lust,
auf Muttis Brust.
Der Vater wartet auf ein Bier am Tresen,
um anzustoßen auf das neue Wesen.
Die Kneipengäste erfahren die frohe Kunde
und warten auf eine Doppelrunde.
Der Vater die Doppelrunde bestellt.
Der Wirt wartet immer noch auf sein Geld.
Warten 2
Eilmeldung.
Mann hinterlässt Frau und 8 Töchter!
Der Vater wartet lange schon auf einen Sohn,
denn sieben Töchter hat er schon.
Die Hebamme nähert sich ihm beklommen.
Da hat er sich das Leben genommen.
Nun sieht wohl jeder ein,
Langes Warten kann auch tödlich sein.
© Franz Köhler
dazu entstanden:
Die fabelhafte Frau Löffelchen
Aus ‚Die fabelhafte Frau Löffelchen‘ von Alf Prøysen:
Es war einmal eine Frau, die legte sich abends schlafen, so wie Frauen es eben tun,
und am Tag danach erwachte sie, so wie Frauen es eben tun,
aber da war die Frau plötzlich eine andere.
Eigentlich hieß sie ja Henriette Guggenbichler, hatte als kleines Mädchen davon geträumt,
eine Prinzessin zu sein und ihren Traumprinzen zu treffen.
Später hatte sie auf die große Liebe gewartet. Lange.
Enttäuschungen erlebt, Liebeskummer, und irgendwann Berthold Badstöber kennengelernt.
Es gehörte zu ihrem Aufwachritual, die Löffelchenstellung einzunehmen.
Und so war sie zu ihrem Namen gekommen.
Zu ihrem Einschlafritual gehörten immer wieder lange Gespräche.
Beim letzten hatten sie sich Begriffen gewidmet, die häufig falsch verstanden werden.
Verliebtsein basiert auf der Sehnsucht, die passende Ergänzung zu sich selbst zu finden.
Darauf, den anderen nicht zu kennen. Führt oft zu einem Strohfeuer,
das erlischt, wenn man sich näher kennt.
Liebe basiert darauf, den anderen zu kennen, so zu akzeptieren, wie er ist -
und er immer noch die passende Ergänzung darstellt.
Die Liebe führt zu einer anhaltenden tiefen Glut.
Die Sehnsucht nach Beziehung und der Reiz des Neuen können Verliebtheit befördern.
Das zu erhalten, bedarf bewusster Beziehungsarbeit, die sich nicht anmaßt,
den anderen genau zu kennen und das, was er einem gibt, als selbstverständlich hinzunehmen,
sondern als Gnade zu empfinden und sich selber stets zu bemühen.
Liebe kann auch ohne Erotik und Sexualität etwas Großes sein.
Erotik ist auch ohne Liebe und Sexualität großartig.
Sexualität kommt ohne Liebe und Erotik nicht über Karnickel-Niveau hinaus.
All das hatte ihre Träume beeinflusst, und sie war in dem Bewusstsein erwacht:
Wer Erkenntnis gewinnt, verliert das Paradies, ist gereift und selbst verantwortlich.
Nach der Prinzessinnenphase und dem Strohfeuer.
Menschen sind verletzlich. Deshalb sollte man behutsam mit ihnen umgehen.
Nicht jede Beziehung taugt auf Dauer.
Vor allem, wenn man gegen den Grundsatz verstößt: Du sollst Dir kein Bild machen.
In der Bibel heißt es: Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde - also nach seiner Vorstellung.
Und er schuf ihn als Mann und Frau. Andere sprechen von Yin und Yang.
Henriette Guggenbichler ist der Wehmut näher als der Sehnsucht.
Aber mit ihrem Berthold blickt sie auf ein erfülltes Leben zurück.
Das ist ihr jetzt völlig klar, und sie ist eine völlig andere als vor dieser Erkenntnis.
© Uli Kölling
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Anntje Kristin Bartke (Freitag, 18 Dezember 2020 10:41)
...ein Lob
An diesem Tag, an dem ich wieder Geschichten finde,
Gedichte genieße, von den Schreiber/innen dieses blogs.
Vielen Dank an Alle, die sich hier mitteilen.
Ein unverzichtbarer Genuss, in dieser beknackten Zeit
Ich steuer auch nich etwas bei.
Bleibt der Gesundheit gewogen..also bleibt gesund..
Eure Ann