Auf der Zielgeraden

Liebe LeserInnen, nur noch wenige Wochen und das Jahr 2020 endet. Jede/r von uns weiß, dass es schwierige, anstrengende und auch leidvolle Tage im Gepäck hatte. Um so wichtiger ist es, auch auf das zu schauen, das gut war und ist, und (frei nach 'Frederik' von Leo Lionni) Sonnenstrahlen und Farben für die dunklen Wintertage zu sammeln. Das kann man besonders gut, indem man schreibt und liest. Deshalb finden Sie hier weitere Impulse zum Schreiben und Texte von TeilnehmerInnen, die sie lesen können. Viel Freude dabei!

Ihre Cornelia

dazu entstanden:

Zu 'Vor einem Winter' von Eva Strittmatter

 

Und so vergeh ich nicht.

 

Ich suche meine Mitte

Und geh an mir vorbei

Und lenke meine Schritte

Was es auch immer sei

 

So allein in meinem Denken

Sehe nur noch mich

Könnt ein Lächeln schenken

Und plötzlich seh ich Dich

 

Könnt meine Blicke wagen

Auf Dich und dein Gesicht

Könnt deinen Rucksack tragen

Bange Tage weggewischt

 

Reichen uns die Hände

Die im Schatten die im Licht

Reißen ein die Wände

Und so – vergehn wir nicht.

 

© Erika Kind-Even

dazu entstanden:

Zu „Der Junge bleibt vor den aufgeschichteten Holzscheiten stehen. Seine Finger berühren die Schnittflächen. Still verströmt das frisch gespaltene Holz seinen Duft. Es lockt und es schmeichelt.“ (Jovan Nicolic, Weißer Rabe, schwarzes Lamm)

 

Es ist der Winter 1945/46. Der Junge ist mein Bruder, und bei seiner Geste überlege ich melancholisch, ob er dabei wohl an die alte Pappel denkt, die uns früher so oft als Kletterbaum diente. Ihre „duftenden“ Reste werden jetzt jedoch in den Küchenherd wandern, und die Erwartung eines als einzig warmen Küchenraumes mag ja nicht nur für ihn etwas durchaus Schmeichelndes, Lockendes haben. Weitere Zimmer im Haus können wir sowieso nicht heizen, denn mehr als eine Pappel gab es im Garten nicht. Nach und nach mussten viele ihrer Äste schon für Wärme sorgen. Heizmaterial ist verdammt schwer zu beschaffen.

Ernüchtert denke ich jetzt weniger an den Duft des frischen Holzes als an die harte Eigenarbeit, mit der wir den Baum endgültig gefällt und mühsam genug zersägt haben. Die Blasen an meinen Händen sprechen eine eigene, wenig poetische Sprache, und ich weiß aus Erfahrung, dass das fast noch nasse Holz im Küchenherd schwer brennen, aber solide stinken wird, wenn man es nicht vorher in der Bratröhre trocknet.

Egal - fege ich die unangenehmen Erinnerungen aus dem Kopf! Bald ist doch Weihnachten, und wir haben schon seit längerem Lebensmittelmarken gesammelt, um mit viel „Ersatz“ wenigstens einige Plätzchen backen zu können. Die alten geschmolzenen Kerzenreste wurden mit Hilfe von Tablettenröhrchen und Zwirnsfäden in wenige neue Exemplare verwandelt. Lametta wie ein paar Kugeln sind auch noch da - und der so geschmückte Tannenbaum wird Heiligabend als Höhepunkt im mit der Pappel - hurra - geheizten Wohnzimmer stehen. Bis dahin sind alle Kreuzschmerzen und Blasen vergessen. Wir werden die alten Lieder singen, wenige selbstgebastelte Geschenke auspacken und uns wie „alle Jahre wieder“ Geschichten erzählen über frühere Weihnachtserlebnisse.

Ach, wenn’s doch nur schon soweit wäre!

 

© Edith Lerch

 

 

Zu „Die Silhouette einer Katze huschte durch das Mondlicht, und als ich mich umwandte, um sie zu beobachten, sah ich, dass ich nicht allein war……“

von  F. Scott Fitzgerald. „Der große Gatsby“

 

  Die Begegnung

 

  Die Silhouette einer Katze huschte durch das Mondlicht, und als ich mich umwandte, um sie zu beobachten, sah ich, dass ich nicht allein war. Ich bemerkte eine Person die sich rasch in einen Hauseingang drückte. Dort war ich gerade erst vorbeigekommen, ohne jemanden bemerkt zu haben, hatte aber das Gefühl, schon von der Antonstraße an verfolgt zu werden. Ich muss mir unbedingt Gewissheit verschaffen, warum ich verfolgt werde und ob dies für mich Gefahr bedeuten könnte. Entschlossen und mit festem Schritt gehe ich die kurze Strecke zurück auf die Haustür zu, jederzeit bereit mich zu verteidigen, falls es notwendig sein sollte. „Jedenfalls besser, hier in der belebten Straße eine Entscheidung herbeizuführen, als dort, wo es keine Häuser mehr gibt und die Straße auch nicht mehr beleuchtet ist“, denke ich.

An der Haustür angekommen sehe ich eine junge Frau, die - ein Bündel neben sich - auf der Treppenstufe steht. Sie schaut mich ängstlich an: „Bitte nicht Polizei rufen!“ fleht sie mich in gebrochenem Deutsch an.

  „Warum sollte ich die Polizei rufen, Sie haben mir doch nichts getan“, antworte ich. Sie schüttelt nur den Kopf und drückt sich weiter in den Hauseingang hinein. Nun versuche ich es auf Englisch und stelle erleichtert fest, dass die Frau mich versteht und erfreut scheint, sich mitteilen zu können. So erfahre ich, dass sie Dürzan heißt und aus einem kleinen kurdischen Dorf im Norden von Irak stammt. Sie sei Jesidin; ihr Dorf sei 2014 von der IS überfallen worden, dabei seien fast alle Männer ermordet, Frauen und Kinder entführt worden.

Weiter berichtet sie: „Im letzten Moment konnten mein Mann und ich in die Türkei fliehen. Zwei Jahre später gelangten wir mit Schleppern nach Deutschland und erhielten Asyl. Hier in Deutschland verhielt mein Mann sich plötzlich ganz anders. Im Irak hatte ich als Krankenpflegerin gearbeitet, daher wollte ich auch hier in einem Krankenhaus oder Pflegeheim arbeiten. Mein Mann verbot es mir, und ich durfte das Haus nicht verlassen. Da ich nach fünf Jahren Ehe nicht schwanger wurde, nahm er sich eine zweite Frau. Weil ich nicht damit einverstanden war, mit dieser Frau zusammen zu leben, warf mein Mann mich aus der Wohnung. Nun lebe ich seit einer Woche auf der Straße und weiß nicht, was ich machen soll“.

 „Kommen Sie erst einmal mit mir nach Hause, dann sehen wir weiter“, bot ich ihr an.

„Ich kann doch nicht mit einem fremden Mann nach Hause gehen!“ entgegnet sie und drückt sich noch fester an die Haustür.

„Ich werde zuerst mit meiner Frau sprechen, und wenn die einverstanden ist, können Sie unbesorgt mit ins Haus kommen.“

Sie scheint noch immer unsicher, geht dann aber doch mit. Ich berichte meiner Frau, was ich erfahren habe. Als Dürzan meine Frau an der Tür sieht, ist sie bereit, mit ins Haus zu kommen. Während meine Frau sich um das Abendessen kümmert, bereite ich im Arbeitszimmer ein Bett vor. Nach dem Essen dauert es nicht lange, bis Dürzan eingeschlafen ist. Mit meiner Frau überlegte ich, wie es weitergehen könnte.

  

Im Nebenhaus wohnt Herr Arnold, ein älterer Mann, dessen Frau vor drei Jahren verstorben ist. Nach einem leichten Schlaganfall hat er nun jedoch Probleme allein zurechtzukommen, auch wenn seine Tochter ihn mehrmals in der Woche versorgt. Schon einmal hatte sie uns angesprochen, ob wir jemanden wüssten, der ihren Vater pflegen könnte, da sie durch Kinder und Beruf stark belastet sei.

 

Also spreche ich am nächsten Morgen Herrn Arnold an, berichte ihm von der Begegnung mit Dürzan und der Möglichkeit, dass sie ihm als gelernte Krankenpflegerin nicht nur im Haushalt helfen könnte. Herr Arnold scheint nicht abgeneigt, will aber erst mit seiner Tochter sprechen.

Schon am nächsten Nachmittag besucht uns Herr Arnold mit seiner Tochter, die sich ausführlich mit Dürzan unterhält, vor allem natürlich über die Aufgaben, die auf sie zukommen könnten. Ihrem Vater, der nur wenig Englisch versteht, übersetzt sie anschließend das Gespräch. Schon am nächsten Tag gibt Herr Arnold uns seinen Entschluss  bekannt, Dürzan könne, wenn sie es denn wolle, bei ihm einziehen. Seine Tochter habe bereits ein Zimmer im Haus für sie eingerichtet. Wenn alles gut geht, will sie sich auch bei der Kreisverwaltung um die rechtlichen Voraussetzungen bemühen, dass Dürzan bei ihrem Vater wohnen darf.

Meine Frau und ich bieten Dürzan an, ihr Sprachunterricht zu geben.

Nun bin ich glücklich, dass ich so rasch zwei Menschen helfen konnte.

 

© Lothar Lax

 

 

Die Silhouette einer Katze huschte durch das Mondlicht und als ich mich umwandte, sah ich, dass ich nicht allein war.

In der gegenüberliegenden Ecke hockte etwas Dunkles. Mehr konnte ich nicht erkennen. Ich näherte mich vorsichtig und sprach dabei beruhigende Worte. Ich tue dir nichts. Etwas lächerlich kam ich mir schon vor.  In einem übergroßen Mantel hockte da ein Junge. Und weil dessen Gesicht so schwarz war wie der Mantel sah ich nur dunkelbraune Augen voller Angst. Ich streckte ihm meine Hand entgegen, die er sofort ergriff. Wortlos gingen wir die Straße entlang. Er zitterte. Wo sollte ich mit ihm hin? Wo ich hin sollte, wusste ich -  natürlich nach Hause. Aber er? Da gingen wir schon die Treppe hoch und ich schloss meine Tür auf. Er lies meine Hand nicht los. Sein feingeschnittenes Gesicht hatte etwas von einem stolzen Adler und noch etwas – aber was. Ich schlug ihm ein  Bad vor. Seinen Kopf schüttelte er voller Entsetzen. Die heiße Milch mit Honig trank er in kleinen leisen Schlucken. Seinen Mantel wollte er nicht ausziehen. Ich legte ihm meinen Bademantel hin. Wir hatten noch kein Wort miteinander gesprochen. Als ich ins Zimmer zurück kam  lag er in meinem Bademantel zusammengekauert im Sessel. Den feuchten Mantel hielt er in beiden Armen. Ich betrachtete ihn lange. Was sollte ich tun?

Am nächsten Morgen schlief er immer noch. Ich ging also zu der “Ausgeflippten”, die neben mir wohnte. Sie lächelte mich immer  mitleidig an und meinte auf meine Frage, warum sie mich immer so angrinsen würde?” Weil sie nicht leben.” Ich war in meiner Wohnung verschwunden und hatte die Tür geknallt und seither war ich ihr aus dem Weg gegangen. Zu der “Ausgeflippten” ging ich also und machte mich auf eine kränkende Bemerkung gefasst. Ich frug sie, ob sie einen Moment auf einen kleinen Jungen aufpassen könne. Sie folgte mir lächeln, öffnete meine Schränke als ob sie bei mir zu Hause wäre und blickte in den Kühlschrank.” Du kannst ruhig gehen” jetzt duzte sie mich auch noch. Als ich ging, sah ich, dass sie sich vorsichtig über den Jungen beugte. In meinem Auto saß ich regungslos. In meiner Kanzlei brauchte mich kein Mensch. Im Radio hörte ich, dass wieder ein Boot mit Flüchtlingen gekentert sie. Diese Idioten kamen übers Meer und ertranken: Da stand ich schon vor dem Polizeipräsidium. Ich verlangte die Ertrunkenen zu sehen. Der Polizist ging vor mir und murmelte etwas von Idioten. Ich ging an einigen Toten  vorbei ohne jegliche Emotion. Dann sah ich ihn, einen Mann mit feingeschnittenem Gesicht, das etwas von einem stolzen Adlerkopf hatte. Rechts und links von ihm lagen zwei gleich aussehende Mädchen. “Die hatte er im Arm” sagte der Polizist und jetzt klang doch

so etwas wie Mitgefühl in seiner Stimme.

Ich rannte hinaus, ich erreichte mein Auto nicht und auch nicht den Papierkorb ich kotzte (so muss ich es jetzt nennen) zwischen meine Schuhen auf den Boden.

Ich wusste jetzt was geschehen war. Als ich meine Tür aufschloss saßen die “Ausgeflippte” und der Junge am Frühstückstich. Der Junge trank wieder heiße Milch mit Honig . Er hatte eine Scheibe Brot dick mit Butter bestrichen und in feine Karrees geschnitten auf seinem Teller. Die “Ausgeflippte” tippte auf sich. Nadja sagte sie und dann tippte sie vorsichtig auf den Jungen Doran sagte er. Lächelte er?

Verdammt warum war mir das nicht eingefallen. Und was ging es mich überhaupt an. Gestern hatte ich noch nichts von ihm gewusst. Und warum regte mich Nadja so auf. Ja, sie erregte mich sogar. Ich war wirklich in einem katastrophalen Zustand. Am nächsten Morgen stand Nadja vor meiner Tür. “Du kannst ruhig gehen, ich kümmere mich um ihn”. Ich saß also in meiner Kanzlei, schaute in Akten und verstand kein Wort. Auf meinem Balkon baumelte eine mir unbekannte Hängematte, darin lagen Nadja und Doran. Er trug völlig neue Jeans. Woher? Er hatte einen großen Strohhut von Nadja auf dem Kopf. Sie hatte den Arm um ihn gelegt und cremte  ihm vorsichtig den Rücken ein. Sie summte dabei ein Lied und wiegte ihn sanft hin und her. Über sein kleines Gesicht liefen Tränen.

Da wusste ich wie ich mich zu entscheiden hatte.

Ich würde ihn behalten

Und Nadja?

Nein, nein das konnte ja nicht gut gehen.

Nun, man würde sehen!

 

© Erika Kind-Even

 

 

 

Schreibimpuls Fotos - lass dich von einem inspirieren.

dazu entstanden:

Kirschen - ein Bild ruft Kindheitserinnerungen wach

 

Als Kind hasste ich Gartenarbeit mit aller Inbrunst, auch wenn ich - zähneknirschend - zugeben musste, dass gerade in Kriegszeiten dieser Garten hinter dem Haus einen wichtigen Teil unserer täglichen Ernährung hergab. Gegen die süßen Früchte - von Himbeeren bis hin zu rotbackigen Äpfeln oder Pfirsichen - hatte ich auch gar nichts einzuwenden. Nur kamen sie zu meinem Leidwesen nicht einfach von selbst ins Haus, sondern mussten mühsam geerntet werden. Und wenn ich mich heftig beschwerte, dass „die ganze Straßenclique zum Schwimmen durfte und nur ich armes Kind - schluchz - unterm Busch saß und Johannisbeeren zu pflücken hatte, konnte das meine Mutter nicht erweichen. „Stell dich nicht so an!“ hieß es wie immer.

Dagegen war es geradezu ein Traum, wenn Walter Hesse vom Bauern gegenüber jeden Sommer auf den direkt an der Hofeinfahrt wachsenden Kirschbaum kletterte, um die reifen Kirschen in unsere erwartungsvoll ausgestreckten Kinderhände zu werfen. Die „Zwillinge“ hängte man sich erst einmal als Schmuck über die Ohren, bevor man sich ihrem Genuss hingab. Im Gegensatz zu den angeblich ach so edlen tiefdunklen Sauerkirschen in unserem Garten handelte es sich hier um eine herrlich süße Sorte heller Herzkirschen. Ich schluckte sie wie alle anderen voller Begeisterung, gelegentlich auch mitsamt dem Kern, ohne nur einen fernen Gedanken an Omas Drohungen zu verschwenden: „Kind, denk daran, dann wächst dir ein Zweig aus dem Mund!“

Selbstverständlich verzichteten wir bei dieser Gelegenheit auch auf den sonst so beliebten Spottvers:

Walter, Walter,

wenn er pupt, dann knallt er.

Geht er in den Keller,

pupt er immer schneller.

 

Dem Sauerkirschbaum in unserem Garten verdanke ich übrigens eine kapitale Ohrfeige meiner Mutter. Und ausgerechnet in diesem Fall war ich so unschuldig wie ein Baby. Ich kam vergnügt und ahnungslos aus der Schule, als meine Mutter mir zornentbrannt, ohne jede Vorwarnung, die besagte Ohrfeige verpasste. Sie zerrte mich in den Garten und wies mit dramatischer Geste auf den Kirschbaum - ganz ohne Kirschen. Gleichzeitig beschuldigte sie mich lautstark, wohl mit tatkräftiger Hilfe meiner Kumpels den Baum leergefressen zu haben. Das ging zu weit! Tränenüberströmt brüllte ich ihr entgegen:

„Du bist gemein! Richtig gemein! Und sooo ungerecht! Nicht fragen, gleich hauen! Keine einzige Kirsche habe ich gegessen und keiner meiner Freunde! Vielleicht waren’s die Stare. Die mochten das Zeug bestimmt viel lieber als wir!“

Ich suhlte mich in meiner tief beleidigten Unschuld, und meine brutale Mutter fauchte mich auch noch an, ich solle bloß die Klappe halten.

Ob sie irgendwann doch einmal Zweifel hegte - ich weiß es nicht mehr. Jetzt zog ich jedenfalls vor, das Weite zu suchen - aus ihrer „Reichweite“.

 

© Edith Lerch

 

 

Schreibimpuls 2 - verschiedene Begriffe zu 'Gegensatz' und 'Miteinander' in einem Text verwenden

 

dazu entstanden:

nicht wirklich

 

du läufst

du läufst nicht

du läufst nicht wirklich

du läufst nicht wirklich davon

 

du trennst dich

du trennst dich nicht

du trennst dich nicht wirklich

du trennst dich nicht wirklich davon

 

du überlegst

du überlegst nicht

du überlegst nicht wirklich

überlegst du wirklich nicht?

 

du sagst es

du sagst es nicht

du sagst es nicht wirklich

sagst du es wirklich nicht?

 

© Franz Köhler

 

 

Blaue Stunde wenn

im Zusammenfallen des

Tages sich die Gegensätze

noch einmal verstärken

gelb-violett, orange-türkis

das Licht wie Inseln

auf dem Wasser steht

die Wolken gespiegelt

im letzten Abschied

sich verdoppeln

 

© Sabeth Bußmann

 

 

 

Schreibimpuls 'Gegengedicht'

 

dazu entstanden:

Gegengedicht zu ‚Dran glauben‘ von Bastian Böttcher 

Dran zweifeln

Häng deine Hoffnung nicht an Blender,
häng deine Hoffnung nicht an Rücksichtslosigkeit.
Zum Sieg gehört die Niederlage,
zur Überheblichkeit der falsche Schein,
zum Triumph die Verlogenheit,
zur Reife gehört Erkenntnis.

Also:
Dran zweifeln!
Tand meiden!
Augen auf!
Verantwortung wahrnehmen!

Häng deine Ziele nicht an Großmannsucht,
häng deine Ziele nicht an Machtmissbrauch.
Ungerechtigkeit bringt keine Ausgeglichenheit.
Gut Ding will Weile haben.
Redliches Streben meidet Willkür.
Zur Reife gehört Erkenntnis.

Also:
Dran zweifeln!
Tand meiden!
Augen auf! Verantwortung wahrnehmen!

Häng deine Träume nicht an Narzissmus,
häng deine Träume nicht an Kommerz.
Der Blick fürs Wesentliche geht dabei verloren.
Religion und Philosophie können Orientierung geben.
Trost braucht jeder.
Zur Reife gehört Erkenntnis.

Also:
Dran zweifeln!
Tand meiden!
Augen auf! Verantwortung wahrnehmen!

Häng deine Wünsche nicht an Rechthaberei,
häng deine Wünsche nicht an Maßlosigkeit.
Blockwartmentalität befördert Aggression.
Denunziation steht Achtsamkeit entgegen.
Verstehen erfordert Wissen.
Zur Reife gehört Erkenntnis.

Also:
Dran zweifeln!
Tand meiden!
Augen auf!
Verantwortung wahrnehmen!

 

© Uli Kölling

 

 

Die Stadt                                                                  Das Dorf

Am grauen Strand, am grauen Meer                        Im grünen Gras, am lichten Wald,

Und seitab liegt die Stadt;                                         Und vor uns liegt das Dorf

Der Nebel drückt die Dächer schwer,                        Von Feldern steigt der Nebel auf,

Und durch die Stille braust das Meer                        Und laut vom Berge her das Echo hallt

Eintönig um die Stadt.                                               Bis weit ins Tal hinab.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai                   Es weht der Wind, es murmelt der Bach.

Kein Vogel ohne Unterlass;                                       Hoch in der Luft die Lerche singt,

Die Wandergans mit hartem Schrei                           Früh‘ morgens ohne Unterlass.

Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,                            Nun kommt der Frühling bald herbei.

Am Strande weht das Gras.                                       Am Wegesrand blüht mancherlei,

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,                        Denk‘ ich an dich, ist‘s wie ein Traum.

Du graue Stadt am Meer;                                           Du trautes Dorf, am Waldessaum.

Der Jugend Zauber für und für                                   Das graue Haar, der Sorgen schwer,

Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,                             Dich lassen will ich nimmermehr.

Du graue Stadt am Meer.                                           Mein liebes Dorf, nun komm ich her.

  

Theodor Storm                                                           © Lothar Lax

 

 

Gegensatz

 

Was ist Pech, und was ist Glück,

was ist Vor und was Zurück,

was ist Schweigen, was ist Lachen,

was ist Nichtstun, was ist Machen ?

Es ist der pure Gegensatz,

der um sich greift, er fordert Platz.

Er macht das Leben oft so schwer.

Beispiel gefällig ? Bitte sehr !

 

Wir erleben mit der Zeit,

wie eine Seuche hier und heut´

Gegensätze generiert,

weil sie völlig ungeniert

die Menschheit auseinander treibt

 

Und eine große Sehnsucht bleibt,

dass sich einst zusammen finden :

Die Sehenden mit allen Blinden,

die Senkrechtdenker mit den Queren

und ihrem Gegensatz abschwören.

 

© Dieter Metzmacher / 12.20

 

 

Heinrich August Hoffmann von Fallersleben

Oh schöne, herrliche Weihnachtszeit

 

Oh schöne, herrliche Weihnachtszeit,

Was bringst du Lust und Fröhlichkeit“

Wenn der Heilige Christ in jedem Haus

Teilt seine lieben Gaben aus.

Und ist das Häuschen noch so klein,

Es kommt der Heilige Christ hinein,

Und alle sind ihm lieb wie die Seinen,

Die Armen und Reichen, die Großen und Kleinen.

Der Heilige Christ an alle denkt,

Ein jeder wird von ihm beschenkt.

Drum laßt uns freu’n und dankbar sein!

Er denkt auch unser, mein und dein!

 

     Oh kalte, traurige Weihnachtszeit    (Gegengedicht)

 

Die Weihnachtszeit scheint jetzt so kalt,

Wie’s nun mal ist im Winterwald!

Corona wirkt in jedem Haus,

Und darum fällt Weihnachten aus.

Denn alle Verwandte, dein wie mein,

Kämen ja gar nicht ins Haus hinein!

Oma und Opa bitterlich weinen,

Sie wär’n so gern bei Großen wie Kleinen.

Können Geschenk-Pakete nur schicken,

Ohne die Lieben dabei zu erblicken.

„Ach“, beten sie, „lieber heiliger Christ,

Wenn du wirklich noch nicht gestorben bist,

Versprich uns fest, dass im nächsten Jahr

Wir Weihnachten feiern, wie‘s immer war!“

 

© Edith Lerch

 

 

Wander‘s Nachtlied                                                     Jäger’s Morgenpirsch

 

Über allen Gipfeln ist Ruh,                                         Um alle Gipfel tobt der Sturm
In allen Wipfeln                                                          Aus allen Wipfeln

Spürest du                                                                  Hörest du

Kaum einen Hauch;                                                    Knacken in den Zweigen               
Die Vögelein schweigen im Walde.                            Im dichten Wald röhrt ein Hirsch
Warte nur, balde                                                         Ein Jäger auf der Pirsch
Ruhest du auch.                                                          Erschreckt ihn nicht.       

 

Johann Wolfgang von Goethe                                     © Lothar Lax

 

 

Gefallen

 

Aus der Zeit gefallen

Wie ein Blättlein

Getorkelt

Wohin

 

Aus der Zeit gefallen

Den Stunden, Sekunden, Tagen

Nächte in Schwarzem Schweiß

 

Aus der Zeit gefallen

Fiebernd und dürstend

Mit Leuchtfeuern aus Angst

 

Aus dem Ich gefallen

Wer war ich, wer werde ich sein, danach

Atemzüge schlängeln sich

Immer Furcht... Schwindel, Unglauben

 

Aus Allem heraus gefallen

Nur ein Gefühl

Hunger bestimmt die Stunden

Trinken und Essen

So groß war die Not

 

Aus der Angst zurück torkeln ins Leben

Mit Hoffnung und Dank

 

© Ann Kristin Bartke

 

 

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