Schreibimpulse und Texte der 16. bis 20. Coronawoche

Nun bin ich wieder zurück vom Nordseestrand, aber natürlich wurde in meiner Ferienpause eifrig weiter geschrieben - zu den nachfolgend gezeigten Impulsen oder "frei". Und die Texte können Sie, liebe Leser*innen hier nachlesen - viel Freude damit!

Ihre Cornelia

Schreibimpuls 1:

 

Pause machen - schreib einen Text deiner Wahl

Dazu entstanden:

Schreibblockade zu Corona-Zeiten (Pantun)

 

Seit Wochen jeden Montag Cornelias Emails.

Ich freue mich auf die Hausaufgaben.

Lese die Texte, doch sie erreichen mich nicht.

Es sind nur Worte, aneinandergereiht zu Sätzen.

 

Ich freue mich auf die Hausaufgaben.

Keinen Sinn ergeben sie für mich.

Es sind nur Worte, aneinandergereiht zu Sätzen.

In mir entspringt kein Feuerwerk.

 

Keinen Sinn ergeben sie für mich.

Ein Text wird nicht geboren.

In mir entspringt kein Feuerwerk.

Oft nehme ich die Seiten zur Hand.

 

Ein Text wird nicht geboren.

Lese die Aufgaben immer wieder.

Oft nehme ich die Seiten zur Hand.

Mache den Computer an.

 

Lese die Aufgaben immer wieder.

Auf die PC-Tastatur lege ich die Hände.

Mache den Computer an.

Schließe die Augen und empfinde nur Leere.

 

Auf die PC-Tastatur lege ich die Hände.

Die Finger bleiben steif.

Schließe die Augen und empfinde nur Leere.

Keine Inspiration kommt.

 

Die Finger bleiben steif.

Ich öffne die Augen, der Bildschirm leer.

Keine Inspiration kommt.

Schreibblockade.

 

Ich öffne die Augen, der Bildschirm leer.

Seit Wochen jeden Montag Cornelias Emails.

Schreibblockade.

Lese die Texte, doch sie erreichen mich nicht.

 

© Doris Krings

Schreibimpuls 2:

 

Es gab die nachfolgend aufgeführten Sommergedichte, die zur Inspiration genutzt werden konnten:

 

Komm, sage mir, was du für Sorgen hast - Joachim Ringelnatz

Du bist, als ob du... - Rainer Maria Rilke

Sommer - Johann Wolfgang von Goethe

Ein Fischlein - Gottfried Keller

Dämmernd liegt der Sommerabend - Heinrich Heine

Guter Rat - Theodor Fontane

Dazu entstanden:

Schüchtern geht die Sonne auf - nach Heinrich Heines 'Dämmernd liegt der Sommerabend'

 

Schüchter geht die Sonne auf,

golden glitzern ferne Kuppeln.

Einen hellen Tag schenkt Sonne.

Soviel stärker jetzt ihr Lauf.

 

Kinder flott im Wasser spielen.

Nicht alle macht die Hitze froh.

Sehnen sich nach Tee, Getränken.

Sind so froh sich abzukühlen.

 

Doch der Nachmittag kommt schnell.

Sonne brennt nicht mehr so heiß.

Feierabend winkt von Weitem.

Schon sehr bald ist's nicht mehr hell.

 

© Karolina Sinn

 

 

Sommer  2020 - ein Pantun

 

Sonne, Hitze - Sommer, wie Erinnerung an Kindertage -

Fast zynisch scheint er mit der ganzen Pracht

entfaltet Schönheit der Natur an Wäldern und an Seen

Wo Alt und Jung das Wort „Corona“ buchstabieren lernt.

 

Fast zynisch scheint er mit der ganzen Pracht

Trotz vieler von der Pandemie betroffenen Menschen

Wo Alt und Jung das Wort „Corona“ buchstabieren lernt

Inzwischen wissen wir genau, was auch „Lock.down“ bedeutet

 

Trotz vieler von der Pandemie betroffenen Menschen

Prunken Parks mit Grün und Blüten, selbst bei wenig Regen

Inzwischen wissen wir genau, was auch „Lock.down“ bedeutet

Und wünschen uns Familie, Kinder, Freunde wieder her

 

Prunken Parks mit Grün und Blüten, selbst bei wenig Regen

Wir schau‘n traurig aus dem Fenster als „Risiko-Alte“ hin

Und wünschen uns Familie, Kinder, Freunde wieder her

Während liebe Nachbarn unseren Einkauf übernehmen

 

Wir schau‘n traurig aus dem Fenster als „Risiko-Alte“ hin

Aber endlich kann man wieder auf den altbekannten Wegen geh‘n

Während liebe Nachbarn unseren Einkauf übernehmen

Welch kleines Glück! - Jedoch: „Der Sommer war sehr groß“

 

Aber endlich kann man wieder auf den altbekannten Wegen geh‘n

Sonne, Hitze - Sommer wie Erinnerung an Kindertage

Welch kleines Glück! - Jedoch: „Der Sommer war sehr groß“

Entfaltet Schönheit der Natur an Wäldern und an Seen

 

 

© Edith Lerch

 

 

In Anlehnung an Rainer Maria Rilke

 

Immer passiert es am hellen Tag

Das das Licht wie ich es gerne mag

fließt durch Seen ganz fein

Sachte , sachte ins Herz hinein

 

Und es rastet hier auf den Grund

Und dann schaut es sich um:

Und sieht Steine ganz rund

Und Fische so  bunt

 

 © Petra Schröter

 

 

Elfe (frei nach Heinrich Heine)

 

Ich betrachte die schöne Elfe,

die jede Nacht so gegen Zwölfe,

in des Baches Wasser gleitet,

völlig unbekleidet.

 

Arm und Nacken,

auch die Backen        

schimmern da im Mondenschein.

Weiß und lieblich

und so friedlich

ist sie dort so ganz allein.

Es drängt mich ihr ganz nah zu sein.

 

Doch ich werde mich bezähmen

und sogar ein bisschen schämen

und dann still nach Hause gehn.

So mancher wird das nicht verstehn.

 

© Franz Köhler

 

 

Sommerhitze

 

Im frost‘gem Winter, mit Schal und Mütze;

So mancher denkt an Sonne, Strand und Hitze.

Dunkle Nächte, Eis und Schnee,

Zugefroren im Tal der See.          

 

Frühlingssonne, zartes Grün,

Wiesen und Felder wieder blühen.

Die Welt zu neuem Leben erwacht,

Mit bunter, duftender Blumenpracht.

 

Nun ist da, so heiß ersehnt,

Hitze bringt er, ein jeder stöhnt.

Schweiß rinnt hinab bis in den Schuh.

Des Nachts fehlt uns die nöt‘ge Ruh‘.

 

Der Sonne heiße Strahlen;

Sind im Schatten kaum zu ertragen.

So Macher denkt an Winterzeit.

Ist gar zum Tauschen gern bereit.

 

Auch dieser Sommer geht vorbei.

Der Hebst bringt uns dann Vielerlei.

Es strömt vom Himmel kühler Regen.

Für uns und die Natur ein Segen.

 

© Lothar Lax

  

Schreibimpuls 3: 

Es wurden Romanauszüge verschickt, die - in Kombination mit dem Bild - weiter geschrieben werden sollten.

Dazu entstanden:

 

Zu 'Mitternachtsmädchen' von Tanja Wekwerths 

 

Auszug: Ein Mädchen ging über den Strand, weiter hinaus als jemals zu vor, um aus dem Blickfeld der anderen, der Ballspieler, Sonnenbadenden, Muschelsammler zu gelangen.  Sie ging weiter und weiter bis die Sonne im Meer unterging, bis die finstere Nacht sie umgab. Ringsumher nur das Meer.

_____

Plötzlich spürte sie die Kälte des Wassers, die über ihre Haut bis in die Knochen peitschte. Sie schmeckte ein Gemisch aus Algen, das Salz des Meeres. Angst durchdrang jede Faser ihres Körpers. Regen klatschte auf ihren Kopf. Sie schnappte nach Luft, strauchelte, paddelte mit den Armen und Beinen, warf den Kopf zurück und öffnete ihren Mund zu einem Schrei, den die Wellen sofort verschlangen. Über ihr ein schwarzer Horizont mit vorbei eilenden Wolkenfetzen. Der Mond prall gefüllt. Endlich fand sie halt an einem Felsen und gelangte mit letzter Kraft an das Ufer.

Sie fiel in einen tiefen Schlaf.

 

Als sie erwachte blickte sie in einen wolkenlosen blauen Himmel. Der Wind spielte mit den eingezogenen Segeln und ließ die Boote hin- und her schaukeln. In der Ferne blinkte ein Leuchtturm. Sie sah auf die wechselnden Farben des Meeres von türkisgrün bis königsblau. Die Gegend war ihr vertraut. Sie folgte dem schmalen gewundenen Pfad. Oben angekommen ragte auf einem Plateau ein Steinhaus. Es ragte auf einer grünen Fläche inmitten von wildem Klee am Rande der Klippen hervor als sei es aus dem Gestein heraus gewachsen. Sie trat einen Schritt nach vorne an den Abgrund und warf einen vorsichtigen Blick hinab. Unter ihr nichts als tosendes Wasser. Sie schaute auf das Meer, das sich immerwährend der Küste entgegenwalzte.

Sie war angekommen im Land an der Spitze der Welt. Nirgendwo auf der Welt liegen Himmel und Erde so nah beieinander. Im Traum hatte sie es gefunden. Das Haus ihrer Kindheit.

 

 

© Maria Boyn 

 

 

 

Tanja Wekwerths Roman, “Mitternachtsmädchen“.

Romananfang: „Ein Mädchen ging über den Strand, weiter hinaus als jemals zuvor, um aus dem Blickfeld der anderen, der Ballspieler, Sonnenbadenden und Muschelsammler zu gelangen.“

 

 

Mord nach Noten

 

Es ist Urlaubszeit! Ich wandere über den Strand, weiter hinaus als jemals zuvor, um aus dem Blickfeld der anderen, der Sonnenbadenden, der Ballspieler, und Muschelsammler zu gelangen. Nach dem Strandcafé ist mir kein Mensch mehr begegnet. Ich gehe dort entlang, wo der Sand noch nass ist und meine nackten Füße sich tief in den Sand eingraben und als Spur zurückbleiben, bis das Wasser sie wieder auslöscht.

So gelange ich an eine abgelegene Stelle; hier brandet die Flut mit Macht gegen die Klippen. Gischt schäumt hoch auf, und die immer wiederkehrenden Wellen verlaufen sich langsam im Sand, noch bevor sie den Fuß der Steilküste erreichen. Aufmerksam beobachte ich den Strand, auf der Suche nach besonderen Muscheln oder gar Bernstein. Der Sandstreifen, der  zwischen Meer und Kreidefelsen entlang führt, wird immer schmaler. Ich atme tief die frische, nach Salz und Algen riechende Luft ein und lasse den Wind durch meine schulterlangen Haare wehen. Noch eine Woche kann ich mit Schwimmen und Lesen den Urlaub hier an der Ostsee genießen, dann geht es zurück nach Köln, wo mich der Alltagstrott wieder gefangen nehmen wird. Vor mir entdecke ich eine einsame Bucht. Hier möchte ich ungestört im klaren tiefen Wasser schwimmen, am Strand meine Decke auszubreiten und mich zu sonnen.

Noch bevor ich die Bucht erreiche fällt mir im Sand ein brauner, rundlicher Gegenstand auf: „Was mag das Meer hier wohl angeschwemmt haben?“ ist mein erster Gedanke. Als ich näher komme sehe ich: Es ist eine Geige, deren Griffbrett offenbar mit Gewalt zerbrochen wurde und die nur noch durch die Saiten zusammengehalten wird: „Das ist mit Sicherheit kein Strandgut!“ ist mir klar. „Doch wie mag das defekte Instrument hier wohl hingekommen sein?“ Ich blicke zu dem Felsen hoch. „Ob jemand es von dort oben aus absichtlich herunter geworfen hat? Und warum?“ drängt sich mir die Frage auf und ich komme zu dem Entschluss: „Vielleicht finde ich oberhalb des Felsens eine Erklärung. Ein Versuch ist es wert, dort hochzusteigen.“

Ich nehme die Geige und gehe auf einem steilen Pfad, der vom Strand auf die jetzt nicht mehr so hohe Steilküste führt, nach oben. Oberhalb der Felswand stößt er auf einen breiten Weg, der parallel zum Strand verläuft und nach links zu einem Kiefernwäldchen führt. „Hier könnte die Geige herunter geworfen worden sein“, vermute ich. Langsam gehe ich auf das Wäldchen zu, blicke auf die Bucht hinunter und stelle fest: „Es tatsächlich genau die Stelle ist, wo ich die Geige gefunden habe“. Außer einem schmalen Trampelpfad, der in den Wald hineinführt, ist nichts Auffälliges zu erkennen. „Ob ich dort eine Spur finde?“

 Schon bald komme ich zu einer kleinen Lichtung, wo Sanddorn und Brombeeren wachsen. Hier endet der Pfad. Gerade will ich umkehren, da fallen mir an einem Brombeerstrauch zahlreiche Kiefernzweige auf, die mit Sicherheit nicht von allein dorthin gelangt sein können. Neugierig gehe ich näher heran und  entdecke, dass aus dem Gestrüpp einen Geigenbogen herausragt, dann sehe ich eine Hand und weißem Stoff. „Hier liegt eine Leiche!“ stelle ich mit Entsetzen fest.

Mit zitternden Fingern wähle ich auf meinem Handy den Polizeinotruf. Mir stockt fast der Atem als ich dem Beamten berichte: „Hier liegt im Gebüsch eine Leiche!“

„Können Sie mir bitte genau beschreiben, wo die Leiche liegen soll?“

„Im Kiefernwäldchen, oberhalb der Steilküste bei  Ahrenshoop“ 

„Gegen Sie mir bitte nähe Angaben zu dem Tatort und der Leiche?“

„In der Leichte steckt ein Geigenbogen.“

„Haben Sie etwas getrunken?“

„Nein, ich versichere Ihnen, ich bin nüchtern und hier liegt wirklich eine Leiche!“

„Bitte bleiben Sie dort; in wenigen Minuten kommt ein Hubschrauber. Machen Sie dann auf sich aufmerksam.“

Kaum sind fünf Minuten vergangen, als ich den Hubschrauber höre. Ich winke ihm mit meinem Badetuch zu. Er landet direkt vor mir auf dem Weg. Zwei Polizisten steigen aus, einer kommt auf mich zu: „Bitte zeigen Sie mir die Stelle, wo die Leiche liegt.“ Ich weise auf das Kiefernwäldchen hin: „Dort im Gebüsch!“  Noch immer halte ich die kaputte Geige in der Hand. Die Polizisten ziehen weiße Anzüge und Gummihandschuhe an. Einer fotografiert den Fundort der Leiche und entfernt dann vorsichtig einige Zweige. Vor Angst zitternd  beobachte ich aus einiger Entfernung das Geschehen. Ich sehe, dass der Geigenbogen im Hals einer jungen Frau steckt. Sie trägt eine zerrissene, blutgetränkte weiße Bluse und einen kurzen blauen Faltenrock. Weiter kann ich nicht hinsehen, mir wird schlecht.

Als der zweite Polizist die kaputte Geige in meiner Hand bemerkt, fragt er mich: „Woher haben Sie Geige und kennen Sie die Ermordete?“

„Die Geige habe ich unten Strand gefunden und die Frau habe ich noch nie gesehen.“

 

Er nimmt das Corpus Delicti und legt es zu anderen Gegenständen vom Fundort in eine Metallkiste, dann sieht er sich in der unmittelbaren Gegend um. Schon bald kehrt er mit einem Blatt Papier zurück, auf dem ich Noten erkenne. Aufmerksam lesen die beiden Polizisten einen Text auf der Rückseite des Notenblattes und nicken mit dem Kopf. Dann kommt auch das Notenblatt in die Kiste. Nachdem meine Daten aufgenommen sind, werde ich gebeten, am nächsten Tag auf der Polizeiwache meine Angaben auch schriftlich zu Protokoll zu geben.

Zum Schwimmen ist mir jetzt nicht mehr zumute. Ich gehe zurück in meine Ferienwohnung, ohne mit jemandem über das wahrhaft nicht alltägliche Erlebnis zu sprechen. In der Nacht kann ich kaum schlafen. Am nächsten Morgen bin schon früh auf der Polizeiwache und erzähle noch einmal ausführlich, wie ich zu dem Leichenfundort und zu der kaputten Geige gekommen bin. Da ich sie angefasst hatte, werden auch meine Fingerabdrücke genommen.

In den nächsten Tagen höre und lese ich nichts über den Mordfall. Erst am Tag vor meiner Abreise nach lese ich auf der ersten Seite der örtlichen Zeitung: „Mord aus Eifersucht!“ Im inneren Teil der Zeitung erfahre ich: Die Eigentümerin des Strandcafés wurde verhaftet. Sie wird beschuldigt, eine Geigenlehrerin aus dem Nachbarort aus Eifersucht mit deren eigenem Instrument geschlagen und ihr dann den Bogen in den Hals gestoßen habe. Aus ermittlungstaktischen Gründen können aber keine weiteren Angaben zu dem Mord gegeben werden.

Ich vermute: Die Mittelung auf der Rückseite des Notenblatts könnte mit der raschen Aufklärung zu tun haben: „Ob der Mann aus dem Strandcafé ein Verhältnis mit der Geigenspielerin hatte und das Notenblatt eine Botschaft für ihn war, die von seiner Frau abgefangen wurde?“  Ich weiß es nicht; aber so könnte es gewesen sein.

 Erleichtert über die Aufklärung trete ich meine Heimreise an. Eigentlich hatte ich mir einen schöneren Urlaub, ohne Aufregung und Abenteuer gewünscht.

 

 

© Lothar Lax

 

 

 „Eine Ahnung von Anfang“

          

         „Der Sommer, von dem ich erzählen will, mit allem was davor war und danach, liegt jetzt zehn Jahre zurück, und auch wenn ich vieles davon vergessen geglaubt habe, kann ich meiner Erinnerung trauen.“ (Norbert Gstrein, Eine  Ahnung von Anfang).

 

„Der Sommer, von dem ich erzählen will“, liegt schon viel länger zurück, und er war der Beginn unseres darauf fast vier Jahrzehnte andauerndem Hobby: Segeln - über viele Meere, mit vielen ganz unterschiedlichen Schiffen und mit wechselnden, auch sehr unterschiedlichen Crews. Das erste Jahrzehnt war außerdem erfüllt von Kursen und Prüfungen zum Erwerb etlicher Segelscheine, vom A-Schein (als Grundlage), dann Sportboot-Motorschein (denn die meisten Segelschiffe sind mit einem Motor ausgestattet), Sportseeschifferschein (für die Küsten) bis hin zum Sporthochseeschifferschein (für fast alle „sieben Meere“) und manches nebenher, z.B. „Umgang mit Rettungsmunition“, „mit Funkgeräten“ usw.

Doch ich will ja vom „Anfang“ erzählen, als im April 1970 abends drei Freunde - Heinz, Willi und Bodo - bei uns zusammensaßen, Wein tranken und von einem richtigen „Männer-Urlaub“ träumten. Als sie bei „Goldschürfen in Alaska“ und ähnlich Utopischem angekommen waren, unterbrach ich ihre Träumereien mit der Frage:

„Warum versucht ihr‘s denn nicht mal mit Segeln? Ich hab‘ gerade irgendwo gelesen, dass man in Holland, sogar ohne irgendeinen Schein vorweisen zu müssen, ein Boot chartern kann.“

„Ach - tatsächlich?“ horchte das Trio interessiert auf. „Mensch, das wär‘ doch mal was!“ Zwei Ingenieure und ein Sinologie-Professor zeigten sich von meiner Idee so angetan, dass Willi, der gerade wegen eines Unfalls krankgeschrieben war, gleich mit der Aufgabe betraut wurde, alles an wichtigen Daten und Fakten herauszufinden, was einen solchen „Törn“ - der Begriff war noch brandneu - vom Plan zur Realisierung bringen sollte. Er tat sein Bestes!

Denn schon kurz darauf, im Mai 1970, brachen die drei in Richtung Ijsselmeer auf, um ihren „Kahn“, einen typisch holländischen soliden „Eiseneimer“ von 28 Fuß Länge - und nicht zuletzt sich selbst als aktive Segler - näher kennenzulernen. Und das Ergebnis dieser ersten Segelwoche überraschte uns alle: Keiner hätte geahnt, dass Bodo schon im nächsten Jahr ein Segelschiff gekauft haben würde. Willi baute seines in Eigenarbeit aus, was natürlich etwas länger dauerte. Mein Mann Heinz und ich beschlossen jedoch, es beim Chartern, u.a. mit Bodos Schiff, zu belassen, und dabei ist es geblieben, wobei die Ziele immer weiter gesteckt wurden.

Glücklicherweise konnten wir auch unsere Kinder - damals dreizehn und elf Jahre alt - für die See begeistern, und sie segelten viele Jahre mit uns, selbst als sie schon längst eigene Familien gegründet hatten. Nicht zuletzt waren es 1979 daher auch Freundin Beatrix und Tochter Beate, mit denen ich unser „Weibersegeln“, ebenfalls am Ijsselmeer, mit einem dort selbstgecharterten Schiff eröffnete. Damals galt das noch ein deutlicher „Männersport“, aber ich konnte schließlich alle Segelscheine präsentieren, (auch wenn mich die Prüfung zum Sporthochseeschiffer mehr Nerven gekostet hatte als mein Rigorosum). Aber wir „Weiber“ amüsierten uns auch Jahre später noch immer prächtig, wenn ein Hafenmeister Probleme hatte, mich als weiblichen „Skipper“ zu akzeptieren, und am liebsten unter Deck nachgeschaut hätte, ob wir nicht dort den „richtigen“ versteckt hielten.

Leider mussten wir 2009 aus Altersgründen unser heißgeliebtes Hobby aufgeben. Ich trauerte ihm viele Jahre nach.

 

 © Edith Lerch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schreibimpuls 1:

Angelehnt an eine Aufgabe von Verena Hiltoplt, die Waldbaden-Seminare durchführt,  lasst ihr – entweder draußen oder am Fenster - etwa zehn Sekunden den Blick in die Ferne schweifen, „damit das Auge mal frei wird“, danach fokussiert ihr euch auf dieses Bild. Welche Gedanken, Erinnerungen oder Geschichten fallen euch dazu ein? Schreibt sie!

 

Dazu entstanden:

 Mythos deutscher Wald?

 

Gibt es einen „Mythos“ „deutscher Wald“? Angesiedelt zwischen Wohlbehagen und Entsetzen?

Grimms Märchen begleiteten mich schon früh, und seine zauberhaften Waldgeister, für den Menschen oft hilfreiche Feen, Elfen oder Nymphen fanden meinen gebührenden Beifall. Aber ich fürchtete mich ebenso entsetzlich vor den Gefahren solch „finsteren Waldes“, ob es sich nun um die böse Hexe in „Hänsel und Gretel“, den gefräßigen Wolf bei „Rotkäppchen“ oder einfach nur um eine „wilde Räuberbande“ handelte.

Später lernte ich dann im Geschichtsunterricht, der römische Historiker Tacitus habe in seiner „Germania“ etwa um das Jahr 100 n.Chr. bereits Schauergeschichten erzählt über die nordischen „Urwälder“ und das seltsam „exotische Volk“ dort, das im Wald zwar seine Götter, aber anscheinend ebenfalls seine „Unholde“  hatte. Auch über eine der bittersten Niederlagen der hochmodern gerüsteten römischen Legionen unter ihrem Feldherrn Varus berichtet er, dass sie im Jahre 6 n.Chr. dank der Undurchdringlichkeit des Teutoburger Waldes vom Cheruskerfürsten Arminius geschlagen wurden. Dessen Germanen kannten ihren heimischen Wald schließlich besser und nutzten dies militärisch geschickt gegen die Römer aus.

Doch die Mythologisierung des deutschen Waldes nahm mit diesem Sieg ihren Anfang. Vor allem die romantischen Dichter im 19. Jahrhundert um Eichendorff verknüpften damit gleichermaßen einen deutschen Gründungsmythos und besangen diesen Wald nun als „heilsamen“ Ort“:

Bei Heinrich Heine klingt dies allerdings sehr heinisch-ironisch. Hier nur Ausschnitte:

 

               Wenn Hermann nicht die Schlacht gewann                           O Täler weit, o Höhen
               Mit seinen blonden Horden,                                                  O schöner, grüner Wald,
               So gäb es deutsche Freiheit nicht mehr.                                Du meiner Lust und Wehen
               Wir wären römisch geworden,                                               Andächt'ger Aufenthalt!


               In unserem Vaterland herrschten jetzt                                   Da draußen, stets betrogen,
               Nur römische Sprache und Sitte                                            Saust die geschäft'ge Welt:
               Vestalen gäb‘ es in München sogar                                        Schlag noch einmal die Bogen,
               Die Schwaben hießen Quiriten                                              Um mich, du grünes Zelt.

               (Heine)                                                                                          (Eichendorff)

 

„Natur“ überhaupt sollte ja den Gegensatz bilden zu Eichendorffs „geschäft’ger Welt“, doch blieb auch der Wald so „naturhaft“ gar nicht. Er wurde von Waldbauern ganz bewusst angepflanzt und bildete ihre Geschäftsgrundlage für Bau- und Brennholz.  

Ich selbst bin auf dem Land aufgewachsen und kannte natürlich auch unsere umliegenden Wälder. Als „Backfisch“ („Teenager“ gab‘s noch nicht) hätte ich für deren Romantisierung bestenfalls so etwas wie Heine-Spott übrig gehabt. Bei Waldspaziergängen ging man nicht „in den Wald“ sondern ganz nüchtern „in die Blaubeeren“, oder „in die Brombeeren“, vielleicht noch „in die Pilze“ - die mich allerdings weniger interessierten.

Erst sehr viel später - hier aus der Großstadt Köln heraus - lernte ich den Wald lieben. Eine selige Erinnerung will mir einflüstern, im Sommer unserer ersten Liebe gab es im nahen Stadtwald keinen Weg, den mein (späterer) Mann und ich nicht gingen, keinen Baum, unter dem wir uns nicht küssten, keine Bank, die wir nicht „besaßen“, und ich schien über einen wundersam eingebauten Kompass im Kopf zu verfügen, um aus dem finstersten Dickicht wieder zurück in die zivilisatorische Welt zu finden.

Ob Stadtwald oder Königsforst, Eifel oder Ahrgebirge, erst haben wir uns allein oder in Begleitung gleichgesinnter Freunde nahe Wälder erwandert. Später dann auch weiter entfernte, z.B. regelmäßig die Fränkische Schweiz, den Schwarzwald oder auch, nach Fontanes Vorbild, Brandenburg, und vieles andere mehr. Niemals vergesse ich den „Orgelpfeifenweg“ auf Teneriffa …

Letzten Sonntag wanderte ich mit dem Bruder meines Mannes drei Stunden durch den Königsforst und schaute vom „Monte Troodelöh“ - mit 118,04 Meter die höchste Erhebung von Köln - auf die Bäume. Ich war einfach glücklich - ganz ohne mythologische Gedankengänge.

 

 

© Edith Lerch

Schreibimpuls 2:

 

Sommer 2020 - Sammle Begriffe, die du mit dem Sommer, dem Sommer 2020, verbindest, z.B. Badewetter, Gewitter, Himbeeren, Vanilleeis, zu Hause bleiben, Schwüle, Klimaanlagen, Shorts, Tattoos, Sonnenblumen, Mund-Nasen-Schutz, Fahrradfahren, dösen … etc.

 

Guck dir an, was du alles gesammelt hast, spür beim Durchlesen in dich hinein: Wie fühlt sich das an? Was lösen die Worte (oder eins von ihnen) bei dir aus? Schreib darüber.

Dazu entstanden:

 Coronasommer

 

 

Es war schön warm und meist erträglich

Und alles wuchs und blühte gut,

ne gute Ernte erscheint möglich,

das machte unsern Bauern Mut.

 

Natürlich fehlte es an Regen,

und unsre Bäume haben‘s schwer,

der Himmel geizte mit dem Segen,

nur im Vergleich gab’s etwas mehr.

 

Da tragen sie  nun  Wassereimer

an manchen grünen Straßenbaum,

und hoffen, er soll überleben,

doch seine Wurzel erreicht‘s kaum.

 

Mit diesen Sorgen überleben

wir dann auch diesen Sommer gern,

doch leider ist da auch noch eben

Corona-Virus nah und fern.

 

Ein böser Gast, der ungebeten

sich an den ganzen Globus hängt,

und ob die Menschen noch so flehten,

er sie mit  Tod und Siechtum kränkt.

 

Er rafft hinweg, gleich welchen Standes,

die Menschen, die er mal befällt,

und machtlos stehen Mediziner,

Ideen fehlen, nicht das Geld.

 

Doch packt uns Urlaubslust und  Sehnen

nach Weite, Freiheit, Lust und Licht,

wohin  wir uns auch immer wenden,

ohne Maske fährt man nicht .

 

Zusammensein mit lieben Menschen,

den Andern spüren nah und dicht,

mit Abstand mehr als einen Meter,

gelingt uns das natürlich nicht.

Und abends in der Urlaubskneipe,

wenn fröhliche Musik erklingt,

sitzt man mit Mundschutz und vereinzelt,

verboten ist, dass jemand singt.

 

Beim Wandern an dem Strand, dem langen,

da darf die Maske schon mal weg,

befreit der Atem, ohne Bangen,

kommt Urlaubsfeeling dann zurück.

 

Doch in dem Laden an der Ecke

Erkennst du selbst den Nachbarn nicht,

sein Lächeln das verhüllt die Maske

 auch  seine Trauer siehst du nicht.

 

Ach wär’s  doch endlich wieder Sommer,

ein Sommer, wie er  früher  war.

Zu leben, das ist  Kommen und Vergehen,

nichts bleibt noch so wie  letztes  Jahr.

 

Noch sind wir da auf dieser Erde,

die Sonne geht wie immer täglich auf,

auch dass es heute Abend werde,

kommt ganz bestimmt – verlass dich drauf.

 

In diese Welt sind wir gestellt,

wo Freude sich und Angst vermengen,

wo es die Weite gibt und Enge,

dich niemand fragt, ob es gefällt.

 

Und doch ist uns ein Raum verblieben,

und unserer Verantwortung betraut,

denn auch mit Abstand kann man lieben,

wenn mensch mal hinter Masken schaut.

 

Noch können wir auch  gar nicht sagen,

was dieser Sommer uns gebracht,

doch ganz gewiss, an vielen  Tagen

hat er uns  achtsamer  gemacht.

 

©Edeltraut Nölkensmeier

 

 

Mein Freund der Baum (Sommer 2020)

 

 Mein Freund, der Baum in unserem Garten - beinahe hätte er mir übel mitgespielt.

  Aber der Reihe nach: Da wir an einer stark befahrenen Straße wohnen, genießen wir unseren relativ ruhigen Garten, mit Hochbeeten, Stauden, Obststräuchern und einigen Bäumen. An der Grundstücksgrenze spendet uns im Sommer eine große Korkenzieher-Weide, mit mehreren miteinander verwachsenen Stämmen, kühlenden Schatten. Unter ihren Zweigen stelle ich gerne meine Hängematte auf, lese in der Zeitung, in einem Buch oder blicke zu den Wocken und lasse die Seele baumeln.

   Ende Februar, wenn sich das erste zarte Grün zeigt und Blau- und Kohlmeisen unsere Nistkästen inspizieren, weiß ich, dass der Frühling nahe ist. Schon bald besucht uns dann das Eichhörnchen, dem wir im Herbst einige Nüsse unter den Baum gelegt haben und die sie dann dort vergraben hat. Auch der Buntspecht kommt, klemmt Eicheln in eine Astgabel und hackt sie auf. Die Amseln sind auf der Wiese und in den Beeten beschäftigt; sie sammeln Nistmaterial; später dann auch Käfer und Würmer für ihren immer hungrigen Nachwuchs.

  Von meiner Hängematte aus beobachte ich das geschäftige Treiben in der Weide und in unserem Garten. Nicht nur Vögel benutzen die Tränke, die in der Nähe der Hängematte zwischen den Stauden steht, auch Bienen, Hummeln und Wespen kommen zum Trinken und transportieren Wasser in ihren Stock.

  Die letzten trockenen Sommer haben nicht nur der Weide sehr zugesetzt, die ganze Natur dürstet nach Wasser. Immer wieder ziehe ich abends mit den Schlauch durch unseren Garten und spendete reichlich Wasser. Aber für die Weide reichte es anscheinend nicht aus.

  Es geschah am Nachmittag vor drei Wochen. In der Nacht hatte es endlich wieder gerechnet und die Blätter hingen schwer und nass herunter. Plötzlich wurde ich durch einen lauten Knall aufgeschreckt. Als ich zur Terrassentür ging sah ich, wie ein großer Stamm der Weide auf halber Höhe abknickte und in den Garten fiel. Bis zu unserem Feigenbaum lag ein Gewirr von Ästen, Zweigen und Blättern. Der dicke Stamm der Weide war genau dorthin gefallen, wo ich zuvor noch in der Hängematte gelegen hatte, um der schwül-warmen Sommerhitze zu entfliehen. Das hätte schlimm ausgehen können. Da der Bruch ohne Vorwarnung erfolgte, wäre ich so schnell nicht aus der Matte herausgekommen, um mich in Sicherheit zu bringen. Die Blätter waren noch grün, aber die Zweige so trocken, dass man sie sehr leicht brechen konnte. Auch der Stamm ließ an der Bruchstelle erkennen, dass an der Rinde kaum noch Leben hochstieg, um den Baum zu ernähren.

  Vermutlich sind auch die anderen Stämme gefährdet und der schöne Baum, der uns mit seinen vielen Bewohnern immer Freude bereitet, wird einige erhebliche Kronenschnitte benötigen. Eventuell muss er sogar ganz gefällt werden, was wir nicht hoffen. In jedem Fall muss eine Fachfirma den Baum untersuchen und versuchen ihn zu retten.

 

 © Lothar Lax

 

 

Texte zu eigenen Themen:

Alles hat seine Zeit


Alles hat seine Zeit.
Alles braucht seine Zeit.
Und wenn es nicht gut ist, ist es auch noch nicht zu Ende.
Geduld hilft beim Ertragen.

Alles braucht seine Zeit.
Das Finden des eigenen Wegs.
Geduld hilft beim Ertragen.
Am Morgen stehen Fragen im Raum.

Das Finden des eigenen Wegs.
Tagsüber lähmt die Hitze.
Am Morgen stehen Fragen im Raum.
Corona nervt ganztägig.

Tagsüber lähmt die Hitze.
Abends schwirrflattern Motten.
Corona nervt ganztägig.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Abends schwirrflattern Motten.
Was bringt Trost?
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Am Ende wird alles gut.

Was bringt Trost?
Alles hat seine Zeit.
Am Ende wird alles gut.
Und wenn es nicht gut ist, ist es auch noch nicht zu Ende.

 

 

© Uli Kölling

 

 

 

Ein Mensch ohne Angst

 

Ein Mensch ohne Angst

Ein König auf Erden

Glücklich und frei

Mein Lebensziel

 

Ein König auf Erden

Ohne Sorgen mit Freude auf morgen

Mein Lebensziel

Energie und Vertrauen

 

Ohne Sorgen mit Freude auf morgen

Altes Begraben

Energie und Vertrauen

Neues Erschaffen

 

Altes Begraben

Mit Kraft und Mut gestalten

Neues Erschaffen

Wunder geschehen

 

Mit Kraft und Mut gestalten

Die Zukunft bestehen

Wunder geschehen

Loslassen und wachsen

 

Die Zukunft gestalten

Ein Mensch ohne Angst

Loslassen und wachsen

Glücklich und frei

 

© Guido Viedenz,   02.07.2020 

 

 

Talente

 

  Blicke ich auf meine Schulzeit zurück, wird mir bewusst, wie ich mich damals über Schwierigkeiten ärgerte, die abzustellen ich keine Lösung fand.

  Es fiel mir nie schwer, mir mathematische Formeln oder Gleichungen zu merken. Selbst sehr lange Gedichte lernte ich in kurzer Zeit auswendig. Brachte ich jedoch einen Text zu Papier, waren meine Gedanken oft um ganze Sätze voraus, und die Hand kam mit dem Schreiben nicht nach. So musste ich mehr als 80% meiner Aufmerksamkeit auf den Text verwenden; der Rest blieb der Grammatik und Orthographie vorbehalten, die wiederum nur schwer in mein Ohr und unter die Schädeldecke drangen.

..Wenn meine Texte auch oft gelobt wurden - die Fehler darin kamen nicht so gut an! Las ich das Geschriebene sofort nach, fielen mir längst nicht alle auf. Besser war‘s, wenn ich die Arbeit einige Tage ruhen ließ und mich erst dann an die Korrektur machte, am besten, es noch einige Male zu wiederholen. Aber nicht immer war diese Zeit gegeben, und ich wollte das Ganze ja auch schnell abschließen, um mich etwas Neuem zuwenden zu können.

  Was ich nie verstanden habe: Bei fremden Texten fielen mir fast alle Fehler sofort auf.

  Es gibt viele Dinge, bei denen wir alle Sinnesorgane, unsere grob- und feinmotorischen Funktionen einsetzen. Wir können gleichzeitig Eindrücke aufnehmen, filtern, speichern und wieder abrufen. Wenn ich wandere, kann ich aufmerksam wahrnehmen, was um mich herum geschieht, und zugleich ein Lied singen. Am Ende des Weges weiß ich noch, wo ich gewandert bin, was ich gesungen habe, wo ich den Ruf des Kuckucks vernahm, ebenso, dass mir ein Zug entgegenkam. Ich kann auch ein Buch lesen und gleichzeitig Musik aus dem Radio hören. Es fällt mir anschließend nicht schwer, zum Inhalt des Buches etwas zu sagen und hinzufügen, dass ich gerade „Die Königin der Nacht“ aus Mozarts „Zauberflöte“ gehört habe. Warum fällt es mir dann so schwer, Gedanken und Niederschrift in harmonischen Einklang zu bringen? Ich weiß es nicht.

  Wenn ich daran denke, dass ich beim Cellospiel Notenwerte, Takt und Sonderzeichen mit hoher Geschwindigkeit wahrnehme, gleichzeitig die Melodie in meinem Kopf entsteht, die ich auf das Instrument übertrage, indem ich mit dem richtigen Finger der linken Hand die richtige Saite an der richtigen Stelle greife und die rechte Hand mit richtiger Geschwindigkeit und Druck die richtige Saite streicht, dann ist das doch eine enorme multifunktionale Leistung, und sie gilt für alle Instrumente. Spiele ich mit mehreren zusammen, muss ich außerdem auf den Dirigenten achten, den Takt mit dem Fuß wippen und hören, was rechts und links von mir gespielt wird, um mich harmonisch in den Orchesterklang einzufügen.

Höchstleistungen erbringt ein Dirigent, der die Noten für alle Streicher, Holz- und Blechbläser, Schlagzeug, Klavier, oft auch für Solisten und vierstimmigen Chor gleichzeitig lesen und dazu noch seine individuelle Interpretation des Stücks mit Gestik, Mimik und Taktangabe den Musikern vermitteln muss.

  Vieles was wir tun, geschieht unbewusst, selbst bei sehr komplizierten Vorgängen!

 

Auch wenn „der Himmel voller Geigen hängt“ - es ist nur sehr wenigen gegeben, darauf wie Paganini oder Sarasate „paradiesisch“ zu spielen. Häufig kommt es in Synapsen zu einem „Kurzschluss.“ Das führt dazu, dass einige der Milliarden Weichen mehr oder weniger gestört sind. Keiner ist vollkommen; wir finden eine Vielfalt an Begabungen und Fertigkeiten. Talente sind höchst unterschiedlich verteilt – und das ist auch gut so!

© Lothar Lax

 

 

 

FLÜGEL

Die Reise

 

„Morgen mache ich eine Reise,“

verkündet die junge Meise.

 

„Warum?“, hier ist doch alles fein,

du bist rein und viel zu klein.

 

„Der Ruf der Welt ist schrill.

Ich bin getrieben und ich will.

 

Meine Flügel spüre ich zittern,

die Freiheit kann ich wittern.“

 

„Oh Kind, die Sorge mich erfüllt,

doch flieg, flieg hinaus ins Leben.

 

Möge die Reise dir alles geben.

 

Meine Hoffnung bleibt ganz fest,

dass du nie vergisst dein Nest.“

 

© Birgit Gewiss 

 

 

Reise mit Hindernissen

 

  Im Mai 2013 besuchte ich mit einer Reisegruppe (25 Personen) des Partnerschaftsvereins Hürth unsere türkische Partnerstadt Burhaniye. Sie liegt im nördlichen Teil der Ägäis, zwischen den bedeutenden archäologischen Stätten Bergama (Pergamon) und Troja. Wie bei den Fahrten in den Vorjahren sind auch zwei Übernachtungen in Istanbul vorgesehen.

  Es ist kurz vor neun Uhr, als wir am Flughafen Istanbul ankommen. In der Flughafenhalle werden wir von dem Ehepaar Ova begrüßt. Sie gehören dem Vorstand des dortigen Partnerschaftsvereins an und besitzen in Burhaniye ein kleines Hotel, wo alle unsere Reisegruppen bisher stets bestens betreut und versorgt wurden. Die Ovas waren auch schon einige Male bei uns in Hürth. Achmed aus Istanbul, ist bei der Begrüßung ebenfalls mit dabei. Seine fachkundigen, oft humorvollen Stadtführungen in akzentfreiem Deutsch habe ich bereits bei den vorherigen Fahrten kennengelernt.

  Gemeinsam fahren wir mit dem Bus, der uns auch in den nächsten Tagen für Ausflüge zur Verfügung stehen wird, zum Hotel am Rande der Altstadt, das einen herrlich freien Blick auf den Bosporus bietet.

  Kaum haben wir die Zimmer bezogen und uns frisch gemacht, beginnt schon die Führung. Zuerst fahren wir zu einem armenisch-orthodoxen Kloster in einem Stadtviertel mit armenischer Minderheit. Danach ist ein armenisches Restaurant unser Ziel. Hier gibt es die für den Kaukasus typischen gewürzreichen Speisen, die sich jedoch kaum von der türkischen Küche unterscheiden. Es folgt ein touristischen Besuchsprogramm der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Istanbuls: Hagia-Sofia, Blaue Moschee, Cisterna Basilika usw.. Der Große Basar, Topkapi und eine Schiffsfahrt auf dem Bosporus sind für morgen vorgesehen.

  Auf der Fahrt zum Hotel kommen wir an der in Hafennähe gelegenen Georgskathedrale vorbei. Sie ist seit rund 1.600 Jahren Sitz des griechisch-orthodoxen Patriarchats in Istanbul. Nicht weit davon entfernt befindet sich das jüdische Viertel. Einige Teilnehmer meiner Gruppe sind erstaunt, dass so verschiedene Religionen in der Türkei offen ihren Glauben ausüben können. Ich erinnere daran, dass es nahe unserem Hotel auch eine evangelische Kirche gibt.

  Wie weit die Toleranz allerdings tatsächlich geht, erfahren wir am selben Abend. Schon bei der Fahrt zum Hotel fallen uns die vielen Mannschaftswagen der Polizei auf. Achmed erklärt, Studenten hätten zu Demonstrationen aufgerufen. Wie viele andere Bürger Istanbuls auch, wollen sie verhindern, dass die historische Altstadt abgerissen und durch ein modernes Stadtviertel mit Geschäftshäusern und teuren Wohnungen ersetzt wird. Die jetzigen Bewohner sollen an den Rand der 15-Millionenstadt umgesiedelt werden. Zudem plant die Stadt, den zentralen Gezi-Park ebenfalls abzureißen und zu bebauen.

  Am Abend gehe ich mit der Gruppe durch die Altstadt zu einem nahe dem Taksin Platz gelegenem Restaurant. Dabei kommen wir auch an der historischen Straßenbahn vorbei. Doch weiter gelangen wir nicht. Eilig kommen uns junge Leute entgegen und warnen uns auf Englisch, bloß nicht weiter in Richtung Taksin Platz zu gehen, dort würde die Polizei wahllos auf Passanten einprügeln. Als wir vorsichtig nach dem Grund fragen, bestätigen sie uns, was wir schon von Achmed erfahren hatten. Eine der Studentinnen erklärt uns weiterhin, es ginge nicht nur um den Abriss von Altstadt und Gezi-Park, sie befürchteten vor allem, es könnte hier so werden wie im Iran, wo eine Sittenpolizei darauf achte, dass Frauen sich nur verschleiert in der Öffentlichkeit zeigen. Das erstaunt mich sehr, denn von einem Besuch der Universität in Ankara vor zwei Jahren wusste ich, dass es bisher für Schülerinnen und Studentinnen sogar verboten war, ein Kopftuch in Schule oder Universität zu tragen.

  Da immer mehr junge Leute an uns vorbeirennen und in Seitenstraßen flüchten, machen auch wir uns schleunigst auf den Rückweg und suchen ein anderes Lokal auf.

  Dort angekommen stelle ich erschrocken fest: zwei ältere Damen fehlen. Beim Zusammentreffen mit den Studentinnen waren sie aber noch dabei. So gehe ich zweimal die Strecke zurück und sehe mich vorsichtshalber auch in den Nebenstraßen um. Die beiden bleiben jedoch verschwunden. Obwohl ich weiß, dass sie schon viele Auslandsreisen gemacht haben und gut Englisch sprechen, mache ich mir große Sorgen. Von der Polizei kann ich in der derzeitigen Situation kaum Hilfe erwarten. Ich muss also unbedingt sofort den Hotel-Manager fragen, wie wir vorgehen sollen.

  Doch zu meiner Überraschung sitzen die beiden Damen schon bei einem Glas Raki in der Hotelhalle. Als ich mich erleichtert erkundige, was denn passiert sei, erklären sie mir ohne das leiseste Anzeichen von schlechtem Gewissen: „Ach weißt du, wir kamen gerade an einen Café vorbei und hatten plötzlich Lust auf ein Stück Kuchen mit Kaffee.“ Auf meine Frage, wie sie denn den Weg zum Hotel gefunden hatten, war ihre Antwort: „Einem Taxifahrer haben wir unseren Hotelschlüssel gezeigt. Der hat uns dann zwar durch die halbe Stadt gefahren, aber zuverlässig hierher gebracht und uns sogar bis in die Hotelhalle begleitet.“

  Es ist noch einmal gut ausgegangen, und ich frage auch nicht, was sie für die Taxifahrt bezahlt haben. In den nächsten Tagen werde ich aber wie ein Hirtenhund darauf achten, dass die Gruppe zusammenbleibt, vor allem wenn wir morgen den Großen Basar besuchen.

 

© Lothar Lax

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