Klein - groß - alles eine Frage der Perspektive

Liebe LeserInnen, in all unseren Lebensbereichen kommt es auf unseren Blick auf die Dinge an. Was für den einen eine riesengroße Sache ist, empfindet der andere für nichtig und klein. Es ist halt alles eine Frage der Perspektive ... Und so haben TeilnehmerInnen meiner Kurse zu Fotos von Slinkachu, Gedichten, Zitaten, Romanauszügen oder auch eigenen Themen geschrieben. 

 

Viel Freude beim Lesen und evtl. selber Schreiben!

Ihre Cornelia

 

„Nichts ist zu klein, Gedicht zu sein“    Brigitte Fuchs

 

Oh

Wie Recht

Du hast, Brigitte!

Nichts in unserer Sprache

Ist zu klein

Für große

Lyrik

 

 

Ein

Kleines Gedicht

Mit wenigen Worten

weckt oft mehr Gefühle

Als ein Roman

Mit großem

Text

 

© Edith Lerch

 

  

„Alles, was gigantische Formen annimmt, kann imponieren, auch die Dummheit“

Erich Kästner

 

Bist

Einig du

Mit Einsteins Wort:

„Die Dummheit ist unendlich“?

Was gigantisch klingt,

muss ja

imponieren

 

Dummheit

Der Menschen -

Corona hat‘s gezeigt -

Scheint nie zu schwinden.

Und Einsteins These

Ist imponierend

Bestätigt

 

© Edith Lerch

 

 

Klein und Groß

 

Der Ursprung aller Dinge ist klein.

Ja die Entstehung eine Menschen geschieht durch zwei kleine Dinge, die zusammenfinden.

Und dieser Mensch, dieses Kind ist nicht zu klein um ein Gedicht zu sein.

Und ist die Liebe groß, bleiben die Fehler klein.

Und die kleine Bitternis verschwindet durch diese große Süße.

Und diese Erkenntnis gibt es nicht von der Stange zu erlangen.

 

 

© Erika Kind-Even

 

 

„Das kleine Pfefferkorn sehe für gering nicht an, versuch es nur und sieh, wie scharf es beißen kann!“

Friedrich Rückert

 

Dass es Pfeffer in allen Abstufungen von Schärfe gibt, je nach Menge und Intensität, weiß man. Jeder Mensch reagiert beim Essen in unterschiedlicher Form darauf. Während die Geschmacksnerven des einen völlig unempfindlich zu sein scheinen, hält ein anderer bereits bald die Luft an.

Früher segelten wir gern und häufig in niederländischen wie britischen Gewässern. Die Küche beider Länder hingegen begeisterte uns weniger, so dass wir immer nach Ausweichmöglichkeiten aus deren kolonialer Vergangenheit suchten. An den Kanalküsten in Holland boten sich dazu viele indonesische Restaurants an, die ihr Angebot allerdings schon weitgehend europäischen Zungen angepasst - sprich: entschärft - hatten. Trotzdem blieb die Frage nach „scherp of soet?“ durchaus angebracht. Gegenüber an den englischen Küsten fand sich in jedem kleinen Hafen mindestens ein indisches Restaurant. Die Kellner fragten bei der Bestellung zwar von sich aus nach „hot or gentle?“ Aber offenkundig, vor allem im Süden, war ihr Verständnis von „gentle“ noch weit von dem entfernt, was ich mir darunter vorstellte, so dass ich grundsätzlich die jeweils „allersanfteste“ Version von „sanften“ Speisen erbat. Und doch - Es geschah trotzdem, dass mir manchmal die Luft weg blieb und damit auch die Lust am Essen. Wenn ich nur noch Schärfe im Mund verspüre, kann ich den Grundgeschmack eines Gerichts nicht mehr erkennen.

Warum jetzt am heimischen Herd alles anders ist, bleibt mir daher völlig rätselhaft. Hier beschwert sich mein Mann schon länger über meine angeblich allzu intensive Handhabung der Pfeffermühle.

Doch was soll’s: „de gustibus non est disputandum“ - wussten schon die alten Römer. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Und die Kölschen fanden achselzuckend: „Jede Jeck es anders.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

 

© Edith Lerch   

 

Ein kleines Stück Freiheit

 

Heute Vormittag war das Erste, an das ich dachte: "Du musst noch Hausaufgaben machen."

Bis Mittag beschäftigte ich mich mit vielen anderen Dingen. Alles wollte schnell erledigt werden.

Ja, ich schaute auch im Archiv meiner Mails nach. Ich wollte wissen, welche Aufgabe wir hatten.

Pilze waren noch Thema. Ich las alles und überlegte. Glückspilz, giftige Pilze, leckere Pilze, Fußpilz und Zitate, aber kein Schreibimpuls weit und breit in Sicht.

Jetzt half nur Bewegung. Ich trat meine übliche Walkingrunde an und überlegte weiter.

 

Während in meinem Gehirn alle Zellen tobten, lief ich durch eine Natur, die viele Farben zur Schau stellte. Dazu atmete ich klare kühle Luft. Das Denken musste Schritt für Schritt dem Gefühl weichen.

Leider dauerte dieser Zustand nicht sehr lange. Neben dem zurückkehrenden Pflichtbewusstsein machte sich ein weiterer Gedanke breit.

Dieses ständige: du musst, du solltest, du könntest, es wäre schön, wenn, ärgerte mich.

Zudem verschärft Corona das alles noch. Du musst aufpassen, du musst die AHA-Regeln einhalten, du darfst das Haus ab 22 Uhr nicht verlassen  und und und....

 

Unter einem prächtig rosa blühenden Baum machte ich kurze Pause.

Plötzlich fielen mir Cornelias Worte ein: „Ihr müsst gar nichts, alles ist möglich.“

Mit diesem Gedanken fühlte ich mich befreit. Ich atmete tief ein uns aus und plötzlich war die Idee zu diesem Text geboren.

Entspannter spazierte ich nach Hause und mir wurde bewusst, dass so ein kleines Stück geschenkte Freiheit in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich ist.

 

P.S.:   Heute Nachmittag konnte ich ohne schlechtes Gewissen eine Stunde im Liegestuhl liegen und die Sonne genießen.

 

© Birgit Gewiss

 

 

Wie Klein und Groß ziemlich beste Freunde wurden

 

Das fing mit einer komplizierten Geburt an. Arzt und Hebamme wollten schon die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, aber die wurden jetzt woanders gebraucht. Das Kind, das da in die Welt schlüpfte, muss wohl sehr eng geringelt auf den Tag gewartet haben, an dem es sich endlich strecken durfte. Der Junge war so groß, dass er niemals in eine Wiege passte, und beim Stillen an der Mutterbrust ragten seine Füße ein gutes Stück unter Mutters Decke hervor. Als er gewachsen und sehr bald seinen Spezialmöbeln entwachsen war, schlief er in einem ausgetrockneten Flussbett, und bei Vollmond zog er ständig den Kopf ein. Sein Name war Goliath.

 

Bei David verhielt sich alles anders. Er war eines Morgens als mausgroßes Baby unerwartet im Elternbett gefunden und sehr liebevoll aufgezogen worden. Trotz gesunder Ernährung  wuchs er nicht sondern wurde im Gegenteil noch winziger, bis hin zum Vergleich mit einem Radiergummi. Die größte Angst seiner Eltern war, dass ihn selbst kleine Tiere wie Katzen und Vögel als Futter begehren könnten, aber da geschah nichts. David hatte wohl die Gabe, dass er seine Umwelt als höchst seltene Kostbarkeit nur faszinierte. Niemand wollte ihm ein Leid antun.

 

Ebenso ging es Goliath. Schon aufgrund seiner unfassbaren Größe und Stärke gab es niemanden, der sich mit ihm anlegen wollte. Dazu hätte man vermutlich militärische Mittel gegen ein solch friedliches Wesen einsetzen müssen, doch warum eigentlich ?

 

Wenn Goliath spazieren ging, tat er dies sehr vorsichtig, mit Vorliebe auf stillgelegten Autobahnen. Querbrücken konnte er dabei lässig übersteigen. Auch David liebte diese Verkehrswege, weil dort die Gefahr, im Reifenprofil eines Autos wie ein Splitstein eingeklemmt zu werden, sehr gering war.

 

So begegneten sich die beiden, Goliath mit seinem scharfen Adlerblick, David mit seiner schrillen Stimme. Das waren wichtige Fähigkeiten, um in ihrer schwierigen Umwelt zurecht zu kommen, gar zu überleben. Obwohl David sich in eine Asphaltfuge geduckt hatte, wurde das winzige Wesen von Goliath bemerkt und zunächst einfach in die Hosentasche gesteckt. Dort war es dunkel und roch nicht gut, so dass David sich lautstark beschwerte, worauf Goliath ihn im Sinne des Wortes zur Brust nahm und ihn so in seiner Hemdentasche platzierte, dass David freudig in die weite Welt schauen konnte.

 

Sie kamen miteinander ins Gespräch. David war flink und sehr belesen. Er flitzte nur so über die Buchseiten und hatte nur Mühe, eine Seite umzuschlagen. Goliath war noch nie mit Büchern zurecht gekommen, weil sie sich häufig unter seinen Fingernägeln verklemmten. Mit großen Zeitungen ging es leidlich.

 

David erzählte Goliath die Geschichte ihrer beiden Namensgeber aus dem alten Testament, und Goliath war sehr beeindruckt. Er kannte sie nicht, da sie selten in einer Zeitung steht. Nur der Schluss mit der Steinschleuder und dem tödlichen Loch im Kopf gefiel ihm nicht, und er bat David überflüssigerweise, so etwas nie zu tun. David versprach es.

 

Es war der Beginn einer großen Freundschaft mit der Erkenntnis, dass „groß“ nicht immer wichtig ist. In langen Gesprächen entstanden Weisheiten, die schon bekannte Philosophen und andere kluge Leute voraus- und rückschauend der Welt geschenkt hatten, egal ob sie vor oder nach David und Goliath lebten oder noch leben.

 

Welche Weisheiten, welche Zitate ? Nun denn :

 

„Der Ursprung aller Dinge ist klein“

 

„Wie klein ist doch die Welt“, sagt der Ballonfahrer. „Wie klein ist doch der Ballon“, sagen die Leute am Boden.

 

„Zu wahrer Größe bedarf es oftmals noch einer Kleinigkeit“

 

Und damit endet diese kleine Geschichte irgendwo im Großen und Ganzen.

 

© Dieter Metzmacher / 4.21 

 

 

Aus Homeoffice und Homeschooling

 

Territorialer Gesang aus roten Kehlen

Geht federleicht durch Haut und Haar

Hoffnungsschimmer in erstarrten Pfützen

Gefrostetes Herz erwärmt 

 

© Caroline Lucht

 

 

Zu 'Versuch es' von Wolfgang Borchert

 

Versuch es

 

Stell dich in die Sonne,

das ist eine Wonne;

sie streichelt dich und macht dich warm,

da fühlst du dich kein bisschen arm.

 

Stell dich in den Sturm,

bist kein kleiner Wurm.

Lass den Wind nur heulen,

er macht keine Beulen.

 

Koste doch den roten Wein,

versuche nicht, so bös zu sein.

Lächle, fällt es dir auch schwer -

fühlst dich besser hinterher!

 

© Karolina Sinn

 

 

Betroffenheit

 

In einer Zeit

Die Masken trägt

In Schattenwäldern

Einsamkeit

 

In einer Stunde voller Leid

Allein sein müssen

Wo Regentropfen küssen

Blanke Scheiben

 

Wo Nachrichtenmeere

Gemütsdeiche brechen

Zersplittertes Hoffnungsglas

 

Aus dem Ich

Geschlürft

Bis gestern

Keiner da, der weiß

Wann die Krüge gefüllt werden

 

© AnnKristin Bartke

 

 

Gegensatz

 

Was ist Pech, und was ist Glück,

was ist Vor und was Zurück,

was ist Schweigen, was ist Lachen,

was ist Nichtstun, was ist Machen ?

 

Es ist der pure Gegensatz,

der um sich greift, er fordert Platz.

Er macht das Leben oft so schwer.

Beispiel gefällig ? Bitte sehr !

 

Wir erleben mit der Zeit,

wie eine Seuche hier und heut´

Gegensätze generiert,

weil sie völlig ungeniert

die Menschheit auseinander treibt.

                               

Und eine große Sehnsucht bleibt,

dass sich einst zusammen finden:

Die Sehenden mit allen Blinden,

die Senkrechtdenker mit den Queren

und ihrem Gegensatz abschwören.

 

© Dieter Metzmacher / 12.20

 

 

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